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Auf den ersten Blick kein typischer Held

Zweimal konnte er den Oscar gewinnen. Dustin Hoffman gilt als einer der wichtigsten Charakterdarsteller Hollywoods – sein Perfektionismus wird gefürchtet. Spät hat er sich den Traum vom Regieführen erfüllt

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Dustin Hoffmann ist einer von Hollywoods ganz Großen. Der Mann mit dem silbergrauen Haar und dem verschmitzten Lächeln spielte in Klassikern wie „Kramer gegen Kramer“ oder „Die Unbestechlichen“, dem Film zum Watergate-Skandal. Im Psychodrama „Rain Man“ beeindruckt er als Autist, in der Komödie „Tootsie“ ist er hinreißend als arbeitsloser Schauspieler, der sich als Frau ausgibt, um eine Rolle zu ergattern. Seine Karriere sieht Hoffman selbstkritisch: „Der Erfolg ist verführerisch, der Erfolg versaut dich.“

Erfolge auch auf der Theaterbühne

Am 8. August wurde er 80 Jahre alt, steht aber noch mitten im Berufsleben. So war er kürzlich beim Filmfestival in Cannes als Giovanni di Medici, Seniorchef der legendären Familie, auf der Leinwand zu sehen, in Folge eins der TV-Serie „Die Medici: Herrscher von Florenz“. „Für mich ist das Leben eine Art Wettstreit mit Gott: ,Sei mal nicht so sicher, dass du mich so früh aufhalten kannst‘“, sagt Hoffman.
In der Filmstadt Los Angeles kam er 1937 zur Welt, als Kind filmbegeisterter Eltern mit osteuropäisch-jüdischen Wurzeln. Er besuchte die Schauspielklasse des „Pasadena Playhouse“ und lernt hier Gene Hackman kennen. Es war der Beginn einer dauerhaften Freundschaft.
„Wir waren zu hässlich für Heldentypen in Hollywood“, sagte Hoffman einmal – und deshalb sei er Hackman nach New York gefolgt, um sich am Theater zu versuchen. Auf Anhieb mit Erfolg. Auch als Filmstar zieht es Hoffman immer wieder zur Bühne. 1984 wird er in Arthur Millers Drama „Tod eines Handlungsreisenden“ gefeiert, zwei Jahre später brilliert er als Willy Loman in Volker Schlöndorffs Verfilmung des Miller-Dramas.
Dass ein „kleiner schmächtiger Typ mit riesiger Nase“ – wie Hoffman sich selbst sah – mal eine Hauptrolle im Kino spielen würde, glaubte er lange nicht. Doch dann engagierte ihn Mike Nichols für „Die Reifeprüfung“ (1967) – es war sein Durchbruch in Hollywood. Die Komödie spiegelt die Aufbruchstimmung der 60er Jahre wider, zauberhaft unterlegt mit Simon & Garfunkel-Hits wie „Mrs. Robinson“.
Hoffman war zwar schon 30, konnte aber, so jungenhaft wie er aussah, ohne Mühe einen 20-Jährigen spielen. Mit 1,67 Meter nicht eben groß, dazu schüchtern wirkend, war er der ideale Ben Braddock: ein unbedarfter College-Absolvent, der sich vom braven Sohn zum Rebellen mausert. Mit urkomischer Unbeholfenheit macht er im Bett der reifen Mrs. Robinson erotische Erfahrungen und rast schließlich im roten Alfa Romeo durch halb Kalifornien, um die angebetete Elaine zu erobern.
Er wurde mit einem „Golden Globe“ als bester Nachwuchsdarsteller belohnt – die erste von zahllosen Auszeichnungen, darunter zwei Oscars und der AFTA-Award für sein Lebenswerk. Den ersten Oscar holte sich Dustin Hoffman als plötzlich alleinerziehender Vater in „Kramer gegen Kramer“, für die Rolle als Autist in Barry Levinsons „Rain Man“ (1988) bekam er einen zweiten.
In „Little Big Man“ (1970) war er ein Indianer, in „Asphalt Cowboy“ (1969) ein kranker Kleinkrimineller und in Sam Peckinpahs „Wer Gewalt sät…“ (1971) ein friedliebender Mathematiker, der so provoziert wird, dass er am Ende ausrastet. Als investigativer Reporter glänzte er neben Robert Redford in „Die Unbestechlichen“ (1976). Mit der Waffenlobby legt er sich als Anwalt in „Das Urteil“ (2003) an, sein Widersacher ist hier Gene Hackman.
Umwerfend komisch ist er als gealterter Hippie und Vater in „Meine Frau, ihre Schwiegereltern und ich“ (2004). Einen echten Macho, den Zocker Ace Bernstein, spielte der Star mit sichtlichem Vergnügen in der Pferderennbahn-Fernsehserie „Luck“ (2011/12).
Schon der Schauspielschüler Hoffman wollte Regie führen, aber erst 2012 traute er sich: In seinem Film „Quartett“ treffen in einem Altersheim ehemalige Musiker aufeinander, lauter eigenwillige Typen. Vor allem die einstige Diva Jean, gespielt von der britischen Schauspielerin Maggie Smith, 78, sorgt für schöpferische Unruhe. Inspiriert wurde Hoffman von Daniel Schmids berührendem Dokumentarfilm „Casa di Verdi“ über eine italienische Residenz für greise Musiker.

Auch als Regisseur erfolgreich

Der Schauspieler ist in zweiter Ehe seit 37 Jahren mit der Anwältin Lisa Gottsegen verheiratet, in Hollywoods scheidungsfreudiger Gesellschaft eine Seltenheit. Sein Leben sei durchaus mal traurig oder deprimierend gewesen, aber nie langweilig, sagte Dustin Hoffmann einmal in einem Interview: „Nichts ist für mich selbstverständlich. So etwas lernt man mit dem Alter.“
Tief gerührt war er, als die TV-Sendung „Finding Your Roots“ Hoffmans Familiengeschichte beleuchtete: Seine Urgroßmutter Libba war 1930 aus einem sowjetischen Straflager geflohen und über Argentinien in die USA gekommen. „Sie hat für mich überlebt, damit ich heute hier sein kann.“