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Attraktive Reisealternative

Alle Fernbusse müssen ab 2020 barrierefrei und mit zwei Plätzen für Rollstuhlfahrer ausgestattet sein. Bereits ab 2016 gilt die Regelung für neu zugelassene Fahrzeuge

fotokalle - Fotolia

Berlin/KRAUTHEIM – Fernbusse verbessern nach Expertenmeinung die Mobilität von Behinderten, gerade auch im Vergleich zur Deutschen Bahn. „Spontan reisen ist mit der Bahn nicht drin“, sagte Peter Reichert vom Bundesverband Selbsthilfe Körperbehinderter im baden-württembergischen Krautheim. Pro Intercity-Express gebe es nur ein oder zwei Plätze für Rollstuhlfahrer. Zudem sei zwei oder drei Tage vor der geplanten Reise eine Anmeldung nötig. Große Probleme gebe es weiterhin beim Ein- und Ausstieg am Bahnsteig, der häufig noch nicht barrierefrei sei.

Verband: Jeder zehnte Reisende mit Behinderung

Eine gute Alternative bieten Reicherts Worten zufolge die Fernbusse. Behinderten-Verbände, Fahrzeughersteller und Fernlinienbusbetreiber arbeiteten zur Zeit daran, dass die Busse bald barrierefrei sind, sagte Reichert. Sie stellten gemeinsam ein Lastenheft mit den zu lösenden Problemen auf.
Infolgedessen zeigt sich Klemens Kruse, Geschäftsführer des Bundeskompetenzzentrums Barrierefreiheit in Berlin, überzeugt, dass schon in wenigen Jahren Rollstuhlfahrer und andere gehbehinderte Menschen voraussichtlich alle Fernbusse in Deutschland für ihre Reisen nutzen können. Das Zentrum – nach eigenen Angaben ein Zusammenschluss von 15 Sozial- und Behindertenverbänden in Deutschland – unterstützt öffentliche Projekte zur Barrierefreiheit. „Es gibt keinen überzeugenden Grund, warum Menschen, die beispielsweise auf einen Rollstuhl angewiesen sind, in ihren Möglichkeiten eingeschränkter sein sollten als andere“, sagte der Jurist.
Ein barrierefreier Fernbus muss über zwei Rollstuhlplätze verfügen. Das sieht das Personenbeförderungsgesetz vor. Demnach müssen ab 2016 neu zugelassene und nach einer Übergangsregelung von drei Jahren ab 2020 alle Fernbusse für Rollstuhlfahrer bequem zugänglich und mit zwei Plätzen für Rollstuhlfahrer ausgestattet sein.
Bis 2020 rechnet der Bundesverband Deutscher Omnibusunternehmer mit rund 30 Millionen Fahrgästen. Der Verband Selbsthilfe Körperbehinderter geht davon aus, dass jeder zehnte Reisende eine Behinderung hat.
Fernbusbetreiber sehen die Auflagen kritisch. Die Umbauten und die Neuanschaffung der Busse würden dadurch deutlich teurer. Zudem gingen durch einen Rollstuhlplatz bis zu sechs Sitzplätze verloren – und damit Einnahmen.
Für solche Einwände hat Kruse nur wenig Verständnis. „Die gesetzlichen Vorgaben sind nicht neu, darauf hätten sich die Fernbusbetreiber längst einstellen können“, äußert sich der Experte. Schließlich gelten sie seit dem Beginn der Liberalisierung des Fernbusmarktes im Jahr 2013. Die UN-Behindertenrechtskonvention, die Barrierefreiheit vorschreibt, ist in Deutschland schon seit 2009 in Kraft.

Viele Anbieter gewähren Ermäßigungen

Kruse räumt ein, dass Barrierefreiheit kostenintensiv ist. Da dies aber alle Busunternehmen betreffe, entstehe kein Wettbewerbsnachteil. Die Mehrkosten lassen sich nach seinen Worten auf alle Reisenden umlegen: „Die Ticketpreise werden dadurch steigen, aber nicht exorbitant“, sagt Kruse. Positive Beispiele gebe es bereits. Einige ADAC-Postbusse hätten schon heute einen festen Platz für einen Rollstuhl. Zudem gewähren viele Busgesellschaften behinderten Reisenden gegen Vorlage eines Schwerbehindertenausweises Ermäßigungen. Bei den Anbietern „Flixbus“ und „MeinFernbus“ etwa zahlen Schwerbehinderte den halben Preis und dürfen eine Begleitperson kostenlos mitnehmen.
Kruse bemängelt, dass für Menschen mit Seh- und Hörbehinderung nicht mehr getan werde. „Da wäre mit vergleichsweise geringen Kosten viel möglich“, erklärt er. So könnten Busunternehmen schriftliche Informationen kontrastreich gestalten, wie es für Sehbehinderte erforderlich ist. Für Hörbehinderte könnten nach dem Vorbild des öffentlichen Personennahverkehrs mündliche Durchsagen über Displays optisch wiedergegeben werden.epd/UK

Unter http://mobilista.eu/208/fernbusse-in-deutschland-und-rollstuhlgerechtigkeit/ gibt eine Liste Auskunft über Fernbusbetreiber, die rollstuhlgerechte Fahrzeuge einsetzen. Dort genannt werden auch  Sonderkonditionen für Menschen mit Behinderung und gegebenenfalls Begleitpersonen bei den Fahrpreisen.