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Astronomie in Gedichtform – DFG fördert Forschungsprojekt

“Die Sonne tönt nach alter Weise”, heißt es in Goethes “Faust”. Er war nicht der einzige Poet, der sich mit Naturwissenschaften beschäftigte. Einst gab es sogar eine eigene Lehrdichtung. Diese wird nun tiefer erforscht.

Die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) und das britische Arts and Humanities Research Council (AHRC) fördern mit 880.000 Euro Arbeiten zur Lehrdichtung in England und Deutschland. Dabei gehe es um die Zeit der Renaissance bis zur Aufklärung, teilte die Universität Bayreuth am Dienstag mit. Sie ist an dem internationalen Gemeinschaftsprojekt zusammen mit den Universitäten in Marburg, York und Cambridge beteiligt. Der Start ist für 1. April geplant. Ende 2024 sollen bei einer Konferenz in Bayreuth erste Ergebnisse präsentiert werden.

Unter Lehrdichtung wird den Angaben zufolge die poetische Vermittlung von naturphilosophischem Wissen etwa aus der Geologie, Astronomie und Botanik verstanden. Als die modernen Naturwissenschaften im 17. und 18. Jahrhundert entstanden seien, habe man sich unter anderem der Dichtung bedient, um das neue Wissen zu verbreiten. Dadurch sei neuen Ideen eine Form gegeben worden, um sie zu legitimieren, erläuterte der Bayreuther Professor für englische Literaturwissenschaft, Florian Klaeger.

Physische und metaphysische Sachverhalte konnten in einer Weise fruchtbar gemacht werden, wie es andere Textformen nicht vermochten, wie Klaeger ergänzte: “Die Dichtung war nicht bloßes Ornament, sondern sie sollte die unsichtbaren Strukturen der Welt enthüllen.” Die geplante Auseinandersetzung mit einer Vielzahl bisher weitgehend unerforschter englischer und deutscher Lehrgedichte beleuchte eine wichtige Facette der Kultur von der Renaissance bis zur Aufklärung.

Das Projekt erforscht die volkssprachliche und die neulateinische Lehrdichtung, die sich mit Themen von der Bluttransfusion bis zur Flugtheorie beschäftigt, wie es in der Mitteilung heißt. Dazu komme ein Strauß unbekannter und größtenteils nur im Manuskript vorliegender Texte von Frauen wie Anne Southwell, Dorothy Calthorpe oder Jane Barker. Sie hätten theologisch-naturwissenschaftliches Wissen teils auf überraschende Weise formuliert.

Klaeger betonte, die Wissenschaftler schlössen nun eine Lücke in der Forschung. Denn obwohl diese sich seit einiger Zeit mit der “Poetologie des Wissens” beschäftige, sei sie bisher vornehmlich auf die volkssprachliche Prosa späterer Epochen und auf männliche Autoren konzentriert gewesen.