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Arzt, Geologe, Sozialreformer, Menschenfreund

Es ist eine kurze Arbeit, die dem Mediziner James Parkinson (1755 -1824) dauerhafte Bekanntheit einbrachte: „Ein Essay über die Schüttellähmung“ aus dem Jahr 1817. Er berichtet darin über lediglich sechs Krankheitsfälle, nur drei davon hat er selbst eingehend untersucht. Doch die Symptome beschreibt er treffend: „Unwillkürliche, zitternde Bewegungen, verbunden mit verminderter Muskelkraft, zeitweise selbst mit Unterstützung völlig unbeweglich; Neigung zu vornübergebeugter Körperhaltung und zum Übergang von einer laufenden in eine vorwärts rennende Bewegung; die Sinne und der Intellekt bleiben unbeeinflusst.“ Heute ist die Paralysis agitans nach ihm benannt: Parkinson-Krankheit.

60 Jahre nach Parkinsons Tod am 21. Dezember 1824 prägte der französische Neurologe Jean-Marie Charcot bereits die Bezeichnung „Malaide de Parkinson“ und empfahl seinen Studenten wärmstens die Lektüre des Essays: „Lesen Sie das ganze Buch und es wird Ihnen Befriedigung verschaffen und Wissen vermitteln, wie man es immer gewinnen kann von der direkten klinischen Beschreibung bei einem ehrlichen und sorgfältigen Beobachter.“

Und heute? Weder Parkinson noch Charcot hätten ahnen können, dass das Absterben der Dopamin produzierenden Nervenzellen im Hirnstamm eine Schlüsselrolle spiele, schreibt die Medizinjournalistin Sabine Schuchart im „Deutschen Ärzteblatt“: „Aber die eigentliche Ursache der Erkrankung kennen wir auch 200 Jahre nach Parkinsons Entdeckung nicht.“ Die Krankheit ist bislang nicht heilbar. Allein in Deutschland leiden rund 400.000 Menschen an Morbus Parkinson.

Ein beherrschendes Lebensthema des Mediziners James Parkinson aber war nicht die Krankheit, die er als erster beschrieb, sondern der Einsatz für Unterprivilegierte, Arme und Schwache. Er wurde 1755 als Sohn eines Chirurgen und Apothekers in London geboren, übernahm dann die Praxis seines Vaters in einem Londoner Armenviertel. Und er wurde Mitglied von politischen Vereinigungen, die sich für eine grundlegende Reform der Steuer und des Strafvollzugs einsetzten.

Es war die Zeit der Französischen Revolution. Unter dem Pseudonym „Old Hubert“ veröffentlichte Parkinson Schriften, die sich gegen die Monarchie wandten. 1795 wurde König George III. in London von einer aufgebrachten Menge mit dem Ruf nach Brot, Frieden und gleichem Wahlrecht angegriffen, am Ende war ein Loch in der Fensterscheibe der Staatskarosse. Auch der Armenarzt Parkinson war angeklagt, zu den Aufrührern zu gehören. Er wurde aber freigesprochen.

Der vielseitige Doktor interessierte sich auch für Geologie und Paläontologie und trug eine Sammlung von Fossilien zusammen, die über England hinaus berühmt wurde. Er war Mitbegründer der bis heute bestehenden „Geological Society of London“, der weltweit ältesten geologischen Organisation. Als er öffentlich erklärte, vor Tausenden von Jahren seien in England gigantische Reptilien herumgelaufen, rieten ihm wohlmeinende Freunde, darüber zu schweigen, um seinem wissenschaftlichen Ruf nicht zu schaden. Von Dinosauriern hatte man damals noch nicht gehört.

Seine Bücher richteten sich oft an medizinische Laien, etwa mit gesundheitlichen Ratschlägen, Grundkenntnissen der Chemie oder der Warnung vor Unfallgefahren. Mit der damaligen Ausbildung von Ärzten setzte er sich kritisch auseinander. Gemeinsam mit seinem Sohn John veröffentlichte er 1812 den ersten englischen Aufsatz über Blinddarmentzündung als Todesursache. Er schrieb außerdem über Kindesmissbrauch und psychische Krankheiten, die er als Mitarbeiter einer privaten psychiatrischen Klinik kennengelernt hatte, und engagierte sich für menschenwürdige Zustände in den Anstalten, den „Mad-Houses“.

„Parkinsons breites wissenschaftliches Interesse und sein Engagement für soziale Gerechtigkeit sind für uns Inspiration und Ansporn“, würdigt ihn Joseph Claßen, erster Vorsitzender der Deutschen Gesellschaft für Parkinson und Bewegungsstörungen (DPG), die die Erforschung der Krankheit fördert. Die DPG fühle sich auch dessen Persönlichkeit verpflichtet.

Bei Diagnostik und Behandlung der Krankheit seien entscheidende Fortschritte zu verzeichnen, vor allem in der medikamentösen Therapie, die das fehlende Dopamin ersetze, erklärt Claßen: „Für viele Patienten ein erheblicher Gewinn an Lebensqualität.“ Es habe in diesem Jahr „einige denkwürdige Veröffentlichungen von verschiedenen Ansätzen gegeben, die darauf hindeuten, dass die Krankheit verlangsamt werden kann oder sogar zum Stehen gebracht werden kann.“ Allerdings, betont der Direktor der Klinik für Neurologie am Universitätsklinikum Leipzig, sei 200 Jahre nach Parkinsons Tod trotz erheblicher Fortschritte „eine vollständige Heilung noch nicht in greifbarer Nähe.“