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“Gaza mon amour”: Arte zeigt Komödie aus dem Gazastreifen

Ein Fischer aus dem Gazastreifen wirbt um eine verwitwete Schneiderin. Aber durch den Fund einer antiken Statue gerät er mit den Behörden aneinander. Stoff für eine romantische Arte-Komödie.

Der wortkarge Fischer Issa (Salim Daw) umwirbt die selbstgenügsame Witwe Siham (Hiam Abbass)
Der wortkarge Fischer Issa (Salim Daw) umwirbt die selbstgenügsame Witwe Siham (Hiam Abbass)Riva-Filmproduktion / Christophe Graillot

In der Gegend um das Flüchtlingslager Al-Shati im Gazastreifen zeigt sich die Sonne nur selten. Alles wirkt ein wenig zerrüttet, trostlos und in ein bläulich-mattes Licht getaucht. Wie selbstverständlich die prekären Lebensbedingungen von den Bewohnern hingenommen werden, lassen beiläufige Sätzen über lange Polizeikontrollen oder die von Israel veranlasste Stromsperre erahnen. Nicht jeder will solche Demütigungen hinnehmen; ein Ladenbesitzer etwa verschwindet irgendwann nach Europa.

Die Zwillingsbrüder Arab und Tarzan Nasser widmen sich jedoch jenen, die bleiben. Ihr zweiter, angesichts des Settings untypisch leichter Spielfilm handelt von einer Liebe unter widrigen Umständen. Arte zeigt “Gaza mon amour” am Freitag, 28. Juni, um 23.25 Uhr.

Fischer trifft Schneiderin in “Gaza mon amour”

Der ältere Fischer Issa ist in die verwitwete Schneiderin Siham verliebt, weiß aber nicht so recht, wie er ihr das sagen soll. Als er ihr eine Hose zum Kürzen bringt, reagiert sie halb zugetan, halb abweisend auf seine schüchternen Annäherungsversuche.

Die meiste Zeit sieht man die beiden aber getrennt voneinander. Die Leidenschaft ist in “Gaza Mon Amour” noch nicht entflammt, sondern eine ungestillte Sehnsucht. Man erinnert sich an den verstorbenen Mann oder an ein gescheitertes Date aus der Jugend, aber die Gegenwart ist karg und ohne Zärtlichkeit.

Issa (Salim Daw) nimmt all seinen Mut zusammen und stattet Siham (Hiam Abbass) einen Besuch in ihrer Schneiderei ab
Issa (Salim Daw) nimmt all seinen Mut zusammen und stattet Siham (Hiam Abbass) einen Besuch in ihrer Schneiderei abRiva-Filmproduktion / Christophe Graillot

Vielleicht wirkt die Liebe in “Gaza Mon Amour” auch deshalb so abstrakt, weil sie lange imaginär bleibt. Beide Figuren haben ein Familienmitglied an ihrer Seite, das dieser Einsamkeit etwas hilflos gegenübersteht. Während Sihams westlich-modern auftretende Tochter dauergenervt mit ihrem Laptop durch die Wohnung läuft, versucht Issas Schwester den ewigen Junggesellen erfolglos zu verkuppeln.

Eines Nachts fischt Issa dann eine antike Statue aus dem Meer, die den Gott Apollo mit mächtiger Erektion zeigt. Heimlich bringt er sie in seine Wohnung, wird aber bald von den Behörden verhaftet.

Wofür die Statue im Film steht

Im Jahr 2007 fand tatsächlich ein palästinensischer Fischer eine ähnliche Skulptur. Im Film hat sie zweierlei Funktion: Zum einen löst sie bei Issa eine Art sexuelles Erwachen aus, zum anderen entlarvt sie die Doppelmoral der örtlichen Behörden. Ein überheblicher Polizist brummt dem ohnehin am Existenzminimum lebenden Issa eine Geldstrafe auf, während er selbst sein üppiges Mittagessen verschlingt. Nach außen wird das sündige Verhalten beklagt, hinter den Kulissen aber schon nach einer Gelegenheit gesucht, die Statue möglichst profitabel zu verkaufen.

“Gaza Mon Amour”: Liebesbrief an die Heimat

Mit “Gaza Mon Amour” haben die im Exil lebenden Nassers einen Liebesbrief an ihre Heimat verfasst, der aber mitunter mit giftiger Tinte geschrieben ist. Unaufdringlich rücken sie einige Absurditäten des Alltags ins Bild. Bei einem Aufmarsch der Terrororganisation Hamas sammeln sich die Leute etwa um eine wohl nicht ganz zufällig phallisch geformte Rakete, die auf den Erzfeind Israel geschossen werden soll. Während der Sexualität etwas Verbotenes anhaftet, wird der Krieg öffentlich glorifiziert.

Der von Grünspan überzogene griechische Gott macht diesen perversen Widerspruch sichtbar. So wie die Statue vom Meeresgrund hochgezogen wurde, muss auch Issas Begehren inmitten eines lustfeindlichen Umfelds aus dem Tiefschlaf erwachen. In seiner Gefängniszelle erlebt er kurz darauf einen wilden Traum.

Mürrischer Protagonist tänzelt durch die Küche

Die von Armut und Staatswillkür verschüttete Romantik versucht der Film manchmal mit etwas abgegriffenen Mitteln freizulegen. Dann setzt er melancholisch-verspielte Klaviermusik ein oder lässt den ansonsten ziemlich mürrischen Protagonisten zu einem Liebeslied durch die Küche tänzeln. Meist vermeiden die Nassers aber solche Verniedlichungen, vertrauen dafür auf unaufgeregte Gesten und leisen Witz.

“Gaza Mon Amour” positioniert sich politisch nicht eindeutig, sondern widmet sich Individuen, die zwischen zerstörerischen Kräften fast zermalmt werden. “Ich will ein anderes Leben mit dem Menschen, den ich liebe”, heißt es einmal in einer Seifenoper, die über einen Fernsehbildschirm flackert. Die Nassers flüchten sich mit ihrer Liebesgeschichte aber gerade in kein anderes Leben, sondern glauben daran, dass sie auch unter den höchst ungünstigen Bedingungen der Wirklichkeit möglich sein könnte.

“Gaza mon amour”, Regie: Tarzan Nasser. Arte, Freitag, 28. Juni, um 23.25 Uhr. Mit Untertiteln für Hörgeschädigte.