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Arte-Spielfilm über die Familie eines Pariser Anschlagsopfers

Das Attentat im Pariser Konzertclub “Bataclan” erschütterte 2015 nicht nur Frankreich. Ein einfühlsamer Spielfilm unter deutscher Regie zeichnet nach, wie ein Witwer dem Hass trotzt.

130 Menschen sind am 13. November 2015 durch die Anschläge einer Terrorzelle in Paris getötet worden. Unter ihnen war auch Helene Muyal-Leiris, die im Konzertsaal “Le Bataclan” war. Der damalige Radio-Journalist Antoine Leiris verlor mit ihr seine geliebte Frau. Wie er mit diesem Verlust umging, zeichnet der Spielfilm “Meinen Hass bekommt ihr nicht” emotional und einfühlsam nach. Arte zeigt den Film, der federführend vom Norddeutschen Rundfunk (NDR) mitproduziert wurde, am 8. November um 20.15 Uhr in Erstausstrahlung.

So dramatisch wie dieser Tag 13. November 2015 enden sollte, so unspektakulär beginnt er in der Altstadtwohnung der Familie. Helene (Camelia Jordana) hat verschlafen; die Visagistin muss sich beeilen und zur Arbeit. Sie hat keine Zeit fürs Schmusen mit ihrem Mann Antoine (stark und überzeugend: Pierre Deladonchamps) und ihrem 17 Monate alten Sohn Melvil. Lediglich der geplante Korsika-Familienrlaub und die Nasentropfen fürs Kind sind Thema. Wie nebenbei merkt Helene an, dass sie abends mit einem Freund ein Konzert im “Bataclan” besuchen wird: “Wartest Du auf mich? Ich komme nicht so spät”, sagt sie. Und er entgegnet scherzend: “Okay, aber ich will, dass du nach Bier und Schweiß stinkst!”

So sorgsam und unbekümmert Antoine Leiris als Ehemann und Familienvater bis zu dahin war, so entschieden handelte der Journalist nach dem Anschlag. Während die Welt geschockt ist, postete er wenige Stunden später in den Sozialen Netzwerken einen offenen Brief. In bewegenden Worten wandte er sich darin an die Attentäter und verweigerte ihnen seinen Hass – und den seines Sohnes. Die Botschaft ging um die Welt, schaffte es sogar auf die Titelseite französischen Tageszeitung “Le Monde”. Vor acht Jahren verarbeitete Leiris auf 144 Seiten die ersten 13 Tage nach dem Anschlag und seine Trauer in einem Besteller.

Zu den Lesern zählte auch die Tante des deutschen Regisseurs Kilian Riedhof (“Gladbeck”). Sie empfahl Riedhof das Buch, der es nach eigenen Worten in einem Rutsch las und tief berührt war. “Vielleicht, weil die Lebenssituation von Antoine vor dem Anschlag so eng an meinem eigenen Leben ist – meine Tochter ist fast im selben Alter wie Melvil”, sagt Riedhof der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA). Er habe sich gefragt, wie es ihm in solch einer Situation ergangen wäre: einem Angriff auf die eigene Familie – auf das Liebste.

Seine Produzentin erkundigte sich nach den Verfilmungsrechten. “Antoine hat sich unter vielen Bewerbern schließlich für uns entschieden”, sagt Riedhof und vermutet: “Vielleicht weil wir nicht direkt aus dem Epizentrum des Geschehens stammten, sondern den Horror jener Nacht aus einer gewissen Distanz betrachten konnten.”

Wie im Buch schildert der Spielfilm nahe und ergreifend Momente aus einem zerstörten und doch so zärtlichen Alltag zwischen Vater und Sohn. Berührend, wenn der Junge nach einem Spielplatzbesuch mit seinem Vater zurückkommt, durch die Wohnung rennt und immer wieder nach seiner Mama ruft. Der Regisseur würdigt die Zusammenarbeit mit Zoe Iorio, die den Jungen darstellt: Zoe sei ein unglaublich koordiniertes und intelligentes Kind und könne Welten in ihrem Inneren entstehen lassen. “Das war außergewöhnlich für ein dreijähriges Kind.”

Der Ausnahme-Spielfilm bewegt sich zwischen Drama und Zuversicht. Basierend auf den wahren Begebenheiten um Antoine Leiris, zeigt er, wie dieser zu einer Stimme der Trauer wurde und den Tod seiner über alles geliebten Helene bewältigte.

Zum Ende des Films holt Antoine deren persönliche Gegenstände – Autoschlüssel, Ehering und Portemonnaie – bei der Polizei ab. In dem nahe des “Bataclan” abgestellten Wagen findet er Reiseunterlagen für Korsika; Helene hatte die Reise schon gebucht. “Meinen Hass bekommt ihr nicht” untermauert die hoffnungsvolle Botschaft von Leiris. Er muss sich – vor allem seinem kleinen Sohn zuliebe – in der neuen Realität zurechtfinden. Die Schlussszenen zeigen, dass das beiden immer besser gelingt: Vater und Sohn machen nun zu zweit Familienurlaub auf der französischen Mittelmeerinsel.