Argentinien steht erneut vor einer Debatte um das emotionale Thema Abtreibung. Präsident Milei ist zwar ein radikaler Marktliberaler, doch in diesem Punkt strikt konservativ – und auf einer Linie mit Kirche und Papst.
Die Partei “La Libertad Avanca” des neuen argentinischen Präsidenten Javier Milei will die Zahl der Abtreibungen reduzieren und plant eine Gesetzesinitiative. Bekannt wurde das unmittelbar vor Mileis Treffen mit Papst Franziskus am Montag im Vatikan. Der Gesetzestext schlägt laut der Zeitung “La Nacion” eine Rückkehr zu den früheren Vorschriften des Strafrechts von 1921 vor, allerdings ohne Schwangerschaften nach Vergewaltigung pauschal von der Strafbarkeit auszunehmen. Deren Feststellung soll im Ermessen der Gerichte liegen.
Das Thema ist in Argentinien hoch umstritten und mit großen Emotionen besetzt. Während der Regierung des konservativen Präsidenten Mauricio Macri (2015-2019) wurde eine Reform des Jahrzehnte alten Gesetzes vom Kongress gebilligt, im Senat aber abgelehnt. Unter dem peronistisch-linksgerichteten Präsident Alberto Fernandez (2019-2023) wurde die Legalisierung des Schwangerschaftsabbruchs schließlich gebilligt. Damals hatte es von der katholischen Kirche in Argentinien scharfe Kritik an dem Vorhaben gegeben.
Die Abgeordneten der LLA erklärten Berichten zufolge: “Die enorme Krise, die unser Land durchmacht, ist nicht nur eine politische oder wirtschaftliche, sondern auch eine moralische. Die politische Klasse muss zum Konzept des ‘Gemeinwohls’ zurückkehren.”
Milei formulierte in einem früheren Interview der Zeitung “Die Welt” seine grundsätzliche Haltung zum Thema Abtreibung: “Der Liberalismus ist der uneingeschränkte Respekt vor dem Lebensprojekt anderer. Es ist die Verteidigung des Rechts auf Leben, Freiheit und Eigentum. Das Leben beginnt im Moment der Empfängnis und endet mit dem Tod”, sagte Milei. Das Leben hänge untrennbar zusammen. Jede Unterbrechung zwischen Empfängnis und Tod sei Mord. “Ich bin nicht für Mord, Abtreibung ist Mord. Wie verteidigt sich das Baby im Mutterleib? Der Heranwachsende im Körper der Mutter ist nicht der Körper der Mutter. Er ist ein anderer Mensch, ein Mensch in Evolution.”
Damit vertritt Milei eine ähnliche Position wie der Papst, der zuletzt immer wieder erklärte, niemand könne “ein Recht auf das Leben eines anderen Menschen beanspruchen”, erst recht nicht, wenn dieser wehrlos sei, sich also nicht verteidigen könne.
Milei regiert seit Dezember Argentinien und will mit einem radikal-marktliberalen Reformkurs das Land aus der aktuellen schweren Wirtschaftskrise führen. Bei Amtsantritt lebten knapp zwei Drittel der Kinder und Jugendlichen (62 Prozent) unter der Armutsgrenze. Knapp 42 Prozent der Gesamtbevölkerung gelten als arm. Das Land verzeichnete 2023 eine Inflationsrate von über 200 Prozent und ist hoch verschuldet. An seinen Reformplänen, die die Wirtschaft beleben und Wachstum erzeugen sollen, übten zuletzt Gewerkschaften, die Kirche und soziale Bewegungen scharfe Kritik. Nach seinem Besuch in Israel wird Milei in Italien erwartet. Anlass für Mileis Reise nach Rom ist die erste Heiligsprechung einer Argentinierin, der Wandermissionarin “Mama Antula” (1730-1799), am Sonntag. Am Montag wird Papst Franziskus seinen Landsmann laut Medienberichten zu einer Audienz empfangen. Es ist ihre erste Begegnung. Im Wahlkampf in Argentinien vergangenes Jahr hatten sie sich ein verbales Fernduell geliefert. Nach dem Sieg des libertären Politikers mäßigten sich beide Seiten. Milei lud Franziskus offiziell nach Argentinien ein.