Kurz vor seinem 75. Geburtstag am Freitag gab Peter Maffay im Juli seine Open-Air-Abschiedstournee. Das letzte Konzert fand in Leipzig statt – für ihn ein besonderer Ort: 1990 jubelte ihm erstmals ein ganzes Fußballstadion mit 60.000 Fans aus dem Osten zu.
Wie der Sänger sich auf diesen Abschied vorbereitet hat, zeigt diese ARD-Doku am Freitag, 30. August, um 22.20 Uhr. Andreas Heineke, populärer Buchautor und Filmemacher, zeichnet nach, wie Maffay sich vom Schlagersänger zu einem der kommerziell erfolgreichsten (Kuschel-)Rockstars Deutschlands mauserte.
Peter Maffays Ehefrau plaudert
Zu Beginn sitzt er ruhig am Esstisch. Seine halb so alte Ehefrau Hendrikje (Gattin Nummer fünf) plaudert aus dem Nähkästchen. Wie das ist, wenn Peter heimkommt und die Lederjacke, die er “wie einen Schutzpanzer” trägt, an den Nagel hängt. Dann ist er “frei und kann so sein, wie er wirklich ist”. Die Anmutung des wilden Rockers, so die Gymnasiallehrerin, sei doch nur “ein Image”.
Schon etwas irritiert hört Maffay zu, zappelt auf dem Stuhl herum. Wie er sich selbst sieht, führt der Film mit einem furiosen Bilder-Stakkato vor Augen: Er steigt auf die Harley Davidson und fährt mit knatterndem Motor direkt auf die Konzertbühne, vor der Zehntausende Fans ihm frenetisch zujubeln.
Dieser Blick hinter die Kulissen und die nur allzu menschlichen Reibungen zwischen dem privaten und dem öffentlichen Star geben die Machart dieser Dokumentation vor. Heineke pendelt zwischen Hochglanz-Bilderbogen und pittoresker Homestory. Auf bombastische Stadion-Impressionen folgen ruhige Bildfolgen vom Bauernhof im oberbayrischen Dietlhofen. Tiefenentspannt tuckert Peter Maffay hier mit dem Vintage-Traktor über Feldwege, präsentiert der Kamera seine Lamas sowie eine kleine Kapelle, für die er “als Hausmeister” tätig ist.
ARD-Doku blickt auf Maffays Anfänge
Im Stil eines Bewegtbild-Fotoalbums blickt der Film zurück auf die Anfänge im Schlager-Business. Zu Wort kommt Entdecker Michael Kunze, mit dem Maffay seine erste Single “Du” aufnahm. Sie erklomm die Charts und machte den Nobody über Nacht bekannt. Weitere Schlagertitel werden jeweils kurz angespielt. Die Ästhetik der 1970er Jahre, vergegenwärtigt mittels Archivaufnahmen der ZDF-Hitparade samt Schnellsprecher Dieter Thomas Heck, schmerzen schon mal in den Augen.
Dem Korsett des gefühligen Schnulzensängers entkam Peter Maffay – im Gegensatz etwa zu Roy Black, der daran zerbrach, dass er seine musikalischen Ambitionen nie verwirklichen konnte. Schade, dass man Maffays musikalischen Werdegang in der Doku nicht so ganz nachvollziehen kann. Rückschläge wie die Eierwürfe bei Auftritten als Vorgruppe der Rolling Stones werden anekdotisch eingestreut.

Vollmundig verspricht der ARD-Pressetext “intime und exklusive Einblicke” in Maffays Privatleben. Denn: “Noch nie hat Peter Maffay ein Kamerateam so nah an sich herangelassen”. So ganz ungewöhnlich sind derartige Einblicke allerdings nicht. Im Juni erst zeigte Das Erste Hannes Rossachers Dokumentation “Peter Maffay. Auf dem Weg zu mir”. Und in Jens Strohschnieders “Peter Maffay – Peter und der Osten” von 2018 ist die Kamera dabei, als der verblüffte Sänger sich erstmals über seine mehr als tausendseitige Stasi-Akte beugt.
Maffays Beziehung zur DDR – deren Fans er nicht zuletzt dank einer Coverversion von “Über sieben Brücken” der Ostgruppe Karat eroberte – wird leider nur angerissen. Auch über sein Bekenntnis zu deutschen Texten, sein Erfolgsrezept, und ebenso seine Religiosität hätte man gerne mehr erfahren.
Reise in Maffays rumänische Heimat
Im interessantesten Abschnitt begleitet die Kamera Maffay und seine Familie auf einer Reise in seine rumänische Heimat in Siebenbürgen, wo er in bescheidenen Verhältnissen aufwuchs. Zu Archivaufnahmen seiner Eltern, die zuvor offenbar noch nie gezeigt wurden, erzählt Maffay, wie er als Junge nicht einmal ein eigenes Zimmer hatte. Stolz präsentiert der Sänger eine von ihm ins Leben gerufene Stiftung, die es unter anderem rumänischen Kindern aus verarmten Verhältnissen ermöglicht, “eine Auszeit von ihrem Schicksal” zu nehmen. Doch auch diese Hilfsprojekte werden nur gestreift.
Die Dokumentation zeichnet das Bild eines bodenständigen, vitalen Selfmade-Man, der den Alkohol überwunden hat, nie harte Drogen nahm und selbst nach 50 Jahren Erfolg nicht abhebt. Dass der Film dabei ein vielleicht doch etwas zu wohlwollendes Image vermittelt, ist offenbar der Preis für die teilweise intime Nähe zum Künstler. Zu welch gigantischer Marke Peter Maffays Kulturindustrie-Unternehmen – vor allem dank dem von Maffay mit erfundenen Kindermusical Tabaluga – angewachsen ist, lässt der Neunzigminüter allenfalls erahnen.
Übergänge zwischen musikalischem Kommerz, sozialem Engagement und politischen Verzahnungen sind so fließend, dass man Grenzen kaum erkennt. Nicht zufällig kommt am Ende Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier zu Wort, der Maffay etwas hölzern dafür lobt, dass er “zu den Künstlern gehört, die das Bedürfnis haben, der Gesellschaft etwas zurück zu geben”. In diesem Moment wird die Dokumentation, eine kurzweilige, letztlich aber etwas glatte Hommage, dann doch staatstragend.