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ARD-Politthriller “Am Abgrund” über Korruption

Korrupte Spitzenpolitiker, eine dramatische Familiengeschichte zwischen Aserbaidschan und Deutschland, schmutzige Deals rund um Seltene Erden – davon erzählt ein Film am ARD-Thementag zum “Kampf um Rohstoffe”.

Ende Januar erhob die Staatsanwaltschaft München Anklage gegen zwei ehemalige Unionspolitiker, Axel Fischer und Eduard Lintner. Sie sollen Geld vom aserbaidschanischen Regime erhalten haben – im Gegenzug für entgegenkommendes (Abstimmungs-)Verhalten im Europarat. Nur wenige Tage zuvor hatte der Europarat Aserbaidschans Delegation die Akkreditierung entzogen: Grund war die Weigerung der vorderasiatischen Republik, Berichterstatter und Wahlbeobachter ins Land zu lassen.

Gutes Timing also für einen Film, der die sogenannte Aserbaidschan-Affäre in sein Zentrum stellt: den Politthriller “Am Abgrund”, den das Erste aus Anlass seines Thementags zum “Kampf um Rohstoffe” am 6. März von 20.15 bis 21.45 Uhr ausstrahlt.

Der Film thematisiert die Korruptionsaffäre, die bis in die deutsche Bundespolitik reichte, versetzt diese aber mit zahlreichen weiteren Aspekten. Als da wären: eine dramatische Familiengeschichte, die von politischem Widerstand gegen ein autokratisches Regime, brutaler Verfolgung und Vertreibung handelt. Schmutzige Geschäfte rund um Seltene Erden, bei denen Natur und Menschen ausgebeutet werden – ausgerechnet, um damit im Westen “saubere” Energien voranzubringen. Dazu eine lesbische Liebesgeschichte, um auch noch etwas über die Diskriminierung queerer Menschen in dem muslimischen Land erzählen zu können. Und sogar die Figur der maltesischen Journalistin Daphne Caruana Galizia taucht in dem Spielfilm, der reale Elemente mit fiktiven verzahnt, auf – wenn auch unter anderem Namen.

Es ist viel, das der von Daniel Harrich geschriebene und inszenierte Film erzählen will – zu viel. Das führt fast unweigerlich zu einem Mangel an Präzision, aber auch an Atmosphäre und Überzeugungskraft. Was besonders in dem privaten Erzählstrang rund um die beiden zentralen Figuren Gerd (Hans-Jochen Wagner) und Leyla (Luna Jordan) auffällt: Er ist Grünen-Politiker im Europarat und mit der aus Aserbaidschan stammenden Alina liiert. Sie ist Alinas erwachsene Tochter aus erster Ehe und kämpft in dem autoritär regierten Land für Menschenrechte.

Schließlich landet Leyla in Baku hinter Gittern – und Gerd lässt sich als Wahlbeobachter ins Land schicken, um seine Stieftochter aus dem Gefängnis zu holen. Die Wahl erweist sich als Farce; Gerds mitgereiste Kollegen stellen dem Regime dennoch das erwünschte “Demokratie”-Siegel aus – sie haben sich kaufen lassen. Leyla wird zwar freigelassen, entscheidet sich aber gegen die Rückkehr nach Deutschland. Zusammen mit ihrer Geliebten Valentina, die für den mächtigen Politiker Tofik Gasimov arbeitet, schafft sie Beweise für Umweltverbrechen zur Seite – womit sich die zwei jungen Frauen in tödliche Gefahr begeben…

“Am Abgrund” bietet erschütternde Einblicke in ein System, in dem fast jeder oder jede käuflich ist, in ein an Bodenschätzen so reiches wie an demokratischen Werten armes Land, in eine zynische Welt, in der allein der schöne Schein zählt – und nicht zuletzt in die hochproblematische Erkenntnis, dass die hiesigen “grünen” Technologien kaum ohne Ausbeutung zu haben sind. All dies sind äußerst brisante, wichtige Themen: Schade, dass Harrich daraus einen eher hölzernen Thesenfilm gemacht hat, der sich nicht organisch, nicht aus den Figuren heraus entwickelt.

Dabei sind diese Charaktere durchaus überzeugend angelegt, und die Schauspielerinnen und Schauspieler machen ihre Sache gut: Insbesondere Hans-Jochen Wagner und Luna Jordan, aber auch Jasmin Tabatabai als Alina, Navid Negahban als Gasimov oder Alina Levshin als Valentina. Doch gegen die zahlreichen Verwicklungen, die ihnen das übervolle, wie mit heißer Nadel gestrickte Drehbuch zumutet, kommen sie nicht recht an – ebenso wenig wie gegen die vielen übertrieben dramatischen, teils arg unsubtil erzählten Szenen. Schade um einen sichtlich aufwendig produzierten Film, vor allem aber um dessen wichtige Fragestellungen. Und einmal mehr eine Bestätigung der Binse, dass gut gemeint noch lange nicht gut gemacht ist.