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Antisemitismusforscher fordert Rücktritt von Rauch

“Ich empfehle den dringenden Rücktritt, ehe der Schaden für die Hochschule noch größer wird”, sagt der Berliner Antisemitismusforscher Wolfgang Benz mit Blick auf TU-Präsidentin Geraldine Rauch.

Zurzeit wird viel über einen möglichen Rücktritt von TU-Präsidentin Geraldine Rauch diskutiert
Zurzeit wird viel über einen möglichen Rücktritt von TU-Präsidentin Geraldine Rauch diskutiertImago / Rolf Kremming

Der Berliner Antisemitismusforscher Wolfgang Benz hat sich für einen Rücktritt von TU-Präsidentin Geraldine Rauch ausgesprochen. Nach dem Liken antisemitischer Tweets habe Rauch ihre „Nicht-Eignung“ für das hohe Amt unter Beweis gestellt, sagte Benz dem Evangelischen Pressedienst (epd). „Mit anderen Worten: Ich empfehle den dringenden Rücktritt, ehe der Schaden für die Hochschule noch größer wird“, fügte der langjährige Leiter des Zentrums für Antisemitismusforschung an der TU Berlin hinzu.

Benz betonte: „Ein Mensch in einem hohen Amt muss nicht unbedingt zu jeder Gelegenheit eine private Meinung abgeben, die er hinterher bedauern muss, weil er nicht genau hingeschaut hat und die Finger schneller waren als das Hirn.“ Mit dem Liken der Tweets sei das Amt beschädigt, „auch wenn man sich danach tausendmal entschuldigt“. Eine Entschuldigung für ein solches Verhalten sei „im Privatbereich möglich, aber nicht in dieser Position“. „Was Rauch geliked hat, das ist judenfeindlich, da hilft alles nichts“, betonte Benz. Die TU-Präsidentin steht in der Kritik, weil sie antisemitische Posts auf der Internetplattform X, vormals Twitter, mit einem „Like“ („gefällt mir“) markiert hatte.

Kaum Diskurs, sondern nur noch eindeutige Lagermentalität

Mit Blick auf pro-palästinensische Proteste an Hochschulen sagte der Historiker, „ich vermisse die notwendige Differenzierung“. „Es stört mich sehr, dass es derzeit kaum noch einen Diskurs gibt, sondern nur noch eindeutige Lagermentalität.“ Die Studierenden könnten durchaus „auch ein wenig über die Gegenseite nachdenken“. „Um es auf den Punkt zu bringen“, sagte Benz weiter, „Empathie mit dem Staat Israel, zu der wir Deutsche jeden nur erdenklichen Grund haben, schließt doch nicht aus, dass man auch Mitleid gegenüber der geschundenen Zivilbevölkerung Palästinas empfindet, auch wenn diese von einer verbrecherischen Terrororganisation unterdrückt wird.“

Benz warnte zugleich davor, „in hysterischer Überreaktion“ alles Mögliche als Antisemitismus zu definieren. Dabei wies er auch die Kritik des Zentralrates der Juden an dem neu berufenen Antisemitismusbeauftragten der TU Berlin, Uffa Jensen, zurück. Dem Zentralrat gefalle dessen Haltung gegenüber einer politischen Antisemitismusdefinition nicht, „weil Jensen – wie alle seriösen Wissenschaftler auf diesem Gebiet – einer wissenschaftlichen Definition den Vorzug gibt. Deshalb soll er demontiert werden.“ Dies erinnere ihn an die Demontage des früheren Direktors des Jüdischen Museums Berlin, dem international anerkannten Judaisten Peter Schäfer. Schäfer war 2019 nach scharfer Kritik unter anderem des Zentralrates zurückgetreten.