Die unabhängige Missbrauchsbeauftragte, Kerstin Claus, dringt nach dem Beschluss des Bundeskabinetts zu einem Anti-Missbrauchsgesetz darauf, dass die Bundesländer nachziehen. Auch Schulakten beispielsweise müssten für die Betroffenen einsehbar sein, sagte Claus am Donnerstag in Berlin. Im Bundesgesetz werden unter anderem die Rechte für Menschen verbessert, die als Kinder Gewalt erfahren haben und wissen wollen, was in ihren Akten steht. Es geht dabei aber nur um Akten in der Kinder- und Jugendhilfe.
Claus nannte zur Eröffnung der diesjährigen Tagung des Nationalen Rats gegen sexuelle Gewalt an Kindern und Jugendlichen als ihre nächsten Arbeitsschwerpunkte die Verbesserung der Ausbildung von Fachkräften in Schulen, Kindergärten, Behörden und der Forschung zum Thema Missbrauch. Sie hoffe, dass das Anti-Missbrauchsgesetz bis März kommenden Jahres in Kraft trete, sagte sie und drang auf eine zügige Beratung im Bundestag.
Bundesfamilienministerin Lisa Paus (Grüne) sagte, das Amt der Missbrauchsbeauftragten werde in seiner Bedeutung künftig dem Datenschutz- oder der Wehrbeauftragten gleichgestellt. Dadurch werde das Thema dauerhaft in der Politik verankert. Das könne gar nicht hoch genug geschätzt werden, erklärte Paus. Man habe jetzt „eine solide Grundlage für den Kampf gegen sexuellen Missbrauch“.
Angela Marquardt vom unabhängigen Betroffenenrat begrüßte das Gesetz ebenfalls, sieht die Umsetzung aber kritisch. Die Betroffenen hätten jahrelang für das Gesetz gekämpft, sagte sie. Es eröffne einen Weg zu mehr Gerechtigkeit. Marquardt kritisierte aber, es sei nicht klar, wie die Vorhaben finanziert werden sollten. Gegenwärtig stehe sogar der Fonds Sexueller Missbrauch zur Debatte, aus dem Menschen, die in ihrer Kindheit sexueller Gewalt ausgesetzt waren, Hilfen im Wert von bis zu 15.000 Euro erhalten. Entscheidend sei, so Marquardt, was bei den Betroffenen ankomme.
Im Nationalen Rat gegen sexuelle Gewalt an Kindern und Jugendlichen tauschen sich Fachleute aus Bund, Ländern und Kommunen aus und erarbeiten Empfehlungen zur Missbrauchs-Bekämpfung.