Menschen fliehen aus der Not. Vor allem Frauen und Mädchen sind betroffen (Seite 3). Und wenn sie in Deutschland ankommen, müsssen sie erneut Angst vor sexueller Gewalt haben? Birgit Reiche von der Evangelischen Frauenhilfe in Westfalen spricht mit Marianne Thomann-Stahl, der Regierungspräsidentin des Regierungsbezirks Detmold, über die Situation in den Flüchtlingsunterkünften in NRW.
Geflüchtete Mädchen und Frauen mussten bei uns weiter Angst vor sexueller Gewalt haben. In den völlig überfüllten Unterbringungseinrichtungen gab es keine abschließbaren Toiletten, keine nach Geschlechtern getrennten Duschen und keine Rückzugsmöglichkeiten für Frauen. Welche Verbesserungen wurden auf den Weg gebracht?
Wir haben jetzt in allen Landesunterkünften in unserem Regierungsbezirk separate Bereiche für alleinreisende Frauen und Frauen mit Kindern. Es handelt sich je nach Unterkunft um extra Gebäude, eigene Gebäudetrakte oder zumindest einen eigenen Flur. Von den Wachdiensten wird sichergestellt, dass Männer zu diesen Bereichen keinen Zugang haben. Auch die sanitären Anlagen sind nun nach Geschlechtern getrennt. Wichtig ist mir auch, dass es in jeder Einrichtung separate Aufenthaltsräume für Frauen gibt, damit sie auch mal unter sich sein können. Wir wollen Frauen mit speziellen Angeboten, wie Frauen-Cafés, die Möglichkeit geben, sich im geschützten Bereich auszutauschen.
Und wie wird gegen häusliche Gewalt in den Unterkünften vorgegangen?
Wenn häusliche Gewalt bekannt wird, werden die Täter der Einrichtung verwiesen und in anderen Unterkünften untergebracht. Manchmal ist es auch nötig, dass Frauen und Kinder an einem anderen Ort untergebracht werden, damit der Täter nicht weiß, wo er sie finden kann. Beratung mit Hilfe von Dolmetscherinnen in 15 Sprachen bietet das bundesweite Hilfetelefon „Gewalt gegen Frauen“ an. Opfern häuslicher Gewalt wird dort angeboten, Kontakt zu spezialisierten Beratungsstellen in ihrer Nähe aufzunehmen.
Zu den Missständen gehörte auch, dass teilweise Mitarbeitende von Wachdiensten, die zum Schutz der Flüchtlinge eingesetzt waren, nicht vor sexuellen Übergriffen zurückschreckten.
Wir haben in NRW ein Qualitätsmanagement-Konzept für Flüchtlingsunterkünfte seit Mitte 2016. Mitarbeitende der Wachdienste benötigen ein Führungszeugnis und müssen sich einer Zuverlässigkeitsprüfung unterziehen. Es gibt außerdem regelmäßige Kontrollen in den Einrichtungen. Zudem setzen wir bereits das Landes-Gewaltschutzkonzept für Flüchtlingseinrichtungen um, auch wenn es noch ein Entwurf ist.
In den Einrichtungen und in den Behörden arbeiten viele Menschen, die für die geflüchteten Menschen nach guten Lösungen suchen…
Dazu gehören auch die vielen Mitarbeitenden in den Beratungsstellen und besonders die Ehrenamtlichen. Ohne sie hätten wir mit den hohen Zahlen in den letzten Jahren noch viel schlechter umgehen können. Viele von ihnen brauchen Schulung. Sie müssen lernen, wie sie Menschen mit Gewalterfahrung und Traumatisierung begegnen können. Sie brauchen Orte, wo sie das erfahrene Leid auch wieder loswerden können. Das Land hat spezielle Programme zur Schulung und Begleitung von Ehrenamtlichen und Hauptamtlichen aufgelegt, die mit von Gewalt betroffenen und traumatisierten Flüchtlingsfrauen zu tun haben.
• Mädchen und Frauen wie Larama aus Nigeria, insbesondere von Gewalt betroffene Frauen und Kinder, finden auch haupt- und ehrenamtliche Unterstützung an vielen Stellen bei der Evangelischen Kirche von Westfalen und der Diakonie. Sie benötigen fachliche Begleitung und Zeit, damit die körperlichen und seelischen Wunden heilen können.