Die Ausschreitungen gegen jüdische Fußball-Fans in Amsterdam haben auch das Gedenken an die Novemberpogrome mitbestimmt. Neben schockierten Stimmen gibt es auch konkrete Warnungen vor einer Wiederholung.
Die jüngsten Angriffe auf jüdische Fußball-Fans in Amsterdam haben auch am Wochenende weiter für Diskussionen gesorgt. Bei einer Gedenkveranstaltung in Erinnerung an die Novemberpogrome von 1938 in München mahnte die Holocaust-Überlebende Charlotte Knobloch am Samstagabend, dass der Hass gegen Juden nicht überwunden sei, auch nicht in Deutschland. “Antisemitismus besteht nicht nur aus uralten Schwarz-Weiß-Fotos. Wir erleben ihn heute in HD-Qualität”, betonte die 92 Jahre alte Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde München und Oberbayern.
Zuvor hatten sich auch das niederländische Königshaus sowie die katholische Kirche in den Niederlanden zu den Ausschreitungen geäußert. “Wir haben die jüdische Gemeinschaft der Niederlande im Zweiten Weltkrieg im Stich gelassen, und letzte Nacht haben wir sie erneut im Stich gelassen”, sagte König Willem-Alexander laut einer Mitteilung des israelischen Präsidenten Isaac Herzog in einem Telefonat am Freitag.
Die niederländischen Bischöfe betonten, Hass sei eine “schwere Sünde gegen unseren Schöpfer und fügt unserem Nächsten großes Unrecht zu”. Sie mahnen, dass schon jetzt größere Angst unter Jüdinnen und Juden herrsche, wie die strengen Sicherheitsvorkehrungen an Gotteshäusern, Schulen und anderen Einrichtungen belegten.
Nach dem Spiel zwischen Ajax Amsterdam und Maccabi Tel Aviv in der Europa League war es am Donnerstagabend zu Ausschreitungen zwischen propalästinensischen Demonstranten und israelischen Fans gekommen. Nach Angaben der Polizei wurden fünf Menschen in Krankenhäuser gebracht und 62 Personen festgenommen. Aufnahmen auf X zeigen, wie Menschen geschlagen, getreten und absichtlich von Autos angefahren werden. Auf anderen Videos ist zu sehen, wie Maccabi-Fans zuvor eine palästinensische Flagge von einer Hauswand reißen und Schmähgesänge gegen Araber skandieren.
Der Vorsitzende von Maccabi Europe, David Beesemer, sieht hinter den Angriffen ein gesamteuropäisches Problem, das vor allem mit muslimischen Jugendlichen zusammenhinge. Davon seien nicht nur Jugendliche betroffen. “Dieser Hass der muslimischen Kids richtet sich nicht nur gegen uns, sondern auch gegen Alte, Schwule und Lesben, gegen Frauen, die Regierung, den Kapitalismus und manchmal ihre eigenen Brüder. Es gibt viel Frust und wenig soziale Kontrolle”, sagte Beesemer im Interview der “Zeit”.
Auch der Sport kann aus Sicht des Fußballfunktionärs nur bedingt als verbindendes Element helfen. “Klar, wenn ein Moslem und ein Jude im selben Team spielen, das verbindet. Aber wenn sie gegeneinander spielen, hilft das nicht.” Zwar habe er mit Blick auf die Entwicklung in weiten Teilen der muslimischen Gemeinden in Europa die Hoffnung, dass sich etwas verändern könne. Zugleich warnte er vor weiteren Ausschreitungen am kommenden Donnerstag in Paris, wenn die israelische Nationalmannschaft dann gegen Frankreich spielt. “Es wird schrecklich. Es wird alles wieder losgehen.”