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Andere Meinungen überfordern

Ein Essener Wissenschaftler sagt: Rechtspopulismus ist psychologisch bedingt. Rechtsextreme können schlecht aushalten, dass es Menschen mit anderen Meinungen gibt

Marija Piliponyte - Fotolia

Rechtsextreme und rechtspopulistische Einstellungen haben nach den Worten des Essener Politik- und Erziehungswissenschaftlers Klaus-Peter Hufer im Kern psychologische Ursachen. Manche Menschen seien mit Einstellungen und Meinungen überfordert, die von ihren eigenen abwichen, sagte der Forscher bei einer Bildungskonferenz der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau (EKHN) in Frankfurt am Main.

Es entsteht eine „Die gegen uns“-Rhetorik

Menschen, die solche „kognitiven Dissonanzen“ nur schwer ertragen könnten, lösten sie dadurch auf, indem sie neue Dissonanzen auf anderen Ebenen schüfen, erläuterte Hufer. Dies äußere sich in einer „Die gegen uns“-Rhetorik, die sich auf Muslime, Ausländer allgemein, Juden oder eine vermeintliche „Lügenpresse“ beziehen könne.
Der Professor an der Fakultät für Bildungswissenschaften der Universität Duisburg-Essen hält Seminare, in denen er Tipps für den Umgang mit Stammtischparolen gibt. Die Strategie dazu umschrieb er mit „Die Person annehmen, die Position ablehnen“ – also eine Dissonanz nicht dadurch aufzulösen, indem man eine neue schaffe. „Bei Menschen mit einem geschlossenen autoritären Weltbild schafft es Irritationen, dass das jemand kann“, sagte er.
Das sei aber schwierig, räumte er ein: „Vorurteile konstruieren sich ihre eigene Wirklichkeit.“ Hinter absurden und aberwitzigen Argumenten verstecke sich oft Aggressivität, die man als Gesprächspartner aushalten müsse. Authentisches Auftreten sei dabei wichtig. Für rechtspopulistisch denkende Menschen werde es oft schwierig, „wenn eine ihnen sympathische Person Positionen vertritt, die ihnen nicht behagen“, sagte der Wissenschaftler.
Hufer riet dazu, das sogenannte Parolenspringen nicht mitzumachen. Dies bezeichnet eine Taktik, bei der Behauptungen in schneller Folge abgegeben werden. Die eine Parole dient dann dazu, davon abzulenken, dass die vorhergehende unbelegt oder unhaltbar ist. „So wird es ein Wirrwarr, man hüpft nur von Parole zu Parole“, sagte der Essener Forscher.
Am wichtigsten sei es, pauschale „Die gegen uns“-Argumente aufzulösen. Bei politischem Streit auf Familienfesten empfahl er, die Gespräche öfter für eine Nachdenkpause zu unterbrechen. Bei öffentlichen Veranstaltungen wie etwa Bürgerversammlungen solle man besser kleine Gesprächsgruppen schaffen und weniger in großem Plenum diskutieren, weil zum Beispiel die NPD bei solchen Gelegenheiten Saalmikrofone als Foren nutze.
Natürlich sei es schwierig, mit Rationalität gegen Emotionen anzureden, sagte Hufer. Er sehe zu einer Sachargument-basierten Debatte aber keine Alternative. Schließlich gehe es nicht um jene harten Rechtsextremisten, die nicht mehr sozialisierbar seien, wozu er den thüringischen AfD-Vorsitzenden Björn Höcke zählte. „Die Adressaten sind die anderen, die dabeisitzen und zuhören“, begründete er.

Rechtsextreme lehnen Wertepluralismus ab

Derzeit schätze man den Anteil von Menschen mit einem geschlossenen rechtsextremen Weltbild in Deutschland auf etwas mehr als fünf Prozent, gehe aber von einem Potenzial bis zu 17 Prozent aus. Rechtsextreme lehnten einen Wertepluralismus ab, zeigten eine mindestens latente Bereitschaft zur Gewalt und verstünden die Nation als eine Abstammungsgemeinschaft, sagte Hufer: „Deswegen tun sich Rechtsextreme so schwer mit der deutschen Fußball-Nationalmannschaft.“