Nach dem Anschlag von Solingen im August sollte es eigentlich schnell gehen mit Maßnahmen der Regierung. Doch dann äußerten Experten Zweifel. Nun hat der Bundestag das sogenannte Sicherheitspaket beschlossen.
Der Bundestag hat das sogenannte Sicherheitspaket der Ampel mit Verschärfungen im Asyl- und Aufenthaltsrecht sowie im Waffenrecht beschlossen. Nach einer lebhaften Debatte stimmte eine Mehrheit der Abgeordneten am Freitag in namentlicher Abstimmung für die Maßnahmen, die SPD, Grüne und FDP nach dem mutmaßlich islamistischen Anschlag von Solingen auf den Weg gebracht hatten. Das Ergebnis war mit Spannung erwartet worden, da es bis zuletzt Kritik auch innerhalb der Ampelfraktionen gegeben hatte. Ende August hatte ein mutmaßlich islamistisch motivierter Mann auf dem Stadtfest in Solingen (Nordrhein-Westfalen) drei Menschen getötet.
Das Paket stelle “einen der wichtigsten Fortschritte in der inneren Sicherheit” dar, verteidigte Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) die Maßnahmen vor der Abstimmung. Es sei eine “starke Reaktion auf den furchtbaren Terror von Solingen” und die richtige Antwort auf aktuelle Bedrohungen durch islamistischen Terrorismus, Antisemitismus sowie auf Rechts- und Linksextremismus und Gewalt in Zügen, auf Plätzen und auf Festen. Nach dem Votum im Bundestag soll noch am Freitag auch im Bundesrat über das Paket entschieden werden.
Der Union gehen die Maßnahmen nicht weit genug. Das Paket werde dem Thema “Innere Sicherheit” nicht gerecht, sagte die stellvertretende Fraktionschefin Andrea Lindholz (CDU). Das Paket sei im Parlament zu einem “Mini-Päckchen” zusammengeschrumpft. Es fehlten etwa die Aussetzung des Familiennachzugs zu subsidiär Schutzberechtigten, die Ausweitung der sicheren Herkunftsstaaten, ein Ausreisearrest für ausreisepflichtige Straftäter und Gefährder sowie umfassende Zurückweisungen an deutschen Grenzen. Der Ampel warf Lindholz vor, selbst “ein Sicherheitsrisiko” für Deutschland zu sein. Die Union forderte auch eine Vorratsdatenspeicherung von Kommunikationsdaten.
Grünen-Fraktionsvize Konstantin von Notz verteidigte hingegen die vorgenommenen Änderungen als “sehr relevante und entscheidende Verbesserungen”. Das Paket werde dadurch europa- und verfassungskonformer. FDP-Fraktionsvize Konstantin Kuhle warb dafür, dass Union und Ampel gemeinsam über Fragen der Migration sprechen sollten. “Unser Land braucht zusätzliche politische Maßnahmen, um die irreguläre Migration weiter zu senken.” Das Sicherheitspaket sei nicht genug, aber ein richtiger Schritt. Man müsse Maßnahmen auch einmal beschließen.
Laut den nun beschlossenen Gesetzentwürfen sollen etwa Heimreisen von anerkannt Schutzberechtigten in der Regel zur Aberkennung des Schutzstatus führen. In sogenannten Dublin-Fällen sollen Asylsuchenden, für deren Verfahren ein anderer EU-Staat zuständig ist, unter bestimmten Umständen Sozialleistungen gestrichen werden. Ermittler sollen zudem mehr Befugnisse beim Abgleich biometrischer Daten erhalten.
Die Ampel hatte nach massiver Kritik von Experten in einer Anhörung im Bundestag noch Änderungen an ihrem Paket vorgenommen. Danach werden Asylsuchende in Dublin-Fällen nur dann von Leistungen ausgeschlossen, wenn das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge ihre Ausreise in den für sie zuständigen EU-Staat für möglich hält. Heimreisen von Schutzberechtigten, die “sittlich zwingend geboten” sind, wirken sich nicht auf den Schutzstatus aus. Dazu zählen etwa Reisen zu Beerdigungen von Angehörigen.
Der Abgleich biometrischer Daten wird nur beim Verdacht auf besonders schwere Straftaten erlaubt sein. Im Waffenrecht werden die Ausnahmen vom Waffen- und Messerverbot bei öffentlichen Veranstaltungen erweitert, zum Beispiel auf Geschäftslieferanten und Beschäftigte in der Gastronomie.
Ein breites zivilgesellschaftliches Bündnis zeigte sich besorgt über die derzeitige Diskussionslage. “Statt drängende Zukunftsfragen wie die Bildungskrise, die Wohnungsnot, den Fachkräftemangel und die notwendige Transformation zu einer klimaneutralen, sozialen Wirtschaft endlich nachhaltig zu beantworten, liegt der Fokus vor allem auf dem Thema Asyl”, kritisierte das Bündnis “Zusammen für Demokratie” anlässlich der Entscheidung über das Sicherheitspaket. Unter den 69 Mitgliedern finden sich unter anderen mehrere kirchliche Institutionen, Migranten- und Sozialverbände und weitere zivilgesellschaftliche Organisationen.