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Altes Revue passieren lassen und sich auf Neues ausrichten

Genderseminar des Frauenreferats in Kooperation mit dem Fachbereich Männer, Familie, Ehrenamt im Kloster

„Welcher Mann hat dich 2018 beeindruckt?!“, fragt Martin Treichel, Landesmännerpfarrer der Evangelischen Kirche von Westfalen und Lippe (EKvW), die 20 Seminarteilnehmenden, die sich in zwei Reihen paarweise gegenübersitzen. Ein Gong ertönt und sie haben kurz Zeit, sich über die Frage auszutauschen. „Mich haben die Produzenten der neuen Gillette-Rasier-Werbung beeindruckt“, sagt einer der Teilnehmer.
Die ihm gegenübersitzende Frau zuckt unwissend mit den Schultern, sie kennt die Werbung noch nicht. „In dem Spot ist zum Beispiel ein Vater zu sehen, der mit seiner Tochter spielt oder Streit zwischen Kindern schlichtet, die sich prügeln“, erklärt er weiter. „Ich finde die Werbung sehr klug und attraktiv gemacht, weil sie für ein modernes Männerbild wirbt – eine echt gute Genderkampagne!“
Die Frau überlegt, welcher Mann sie im Jahr 2018 beeindruckt hat. Ihr fällt ihr Vater ein, der früher im Bergbau unter Tage gearbeitet hat. „Ihn hat den Abschied von der Kohle emotional sehr bewegt. ,Alles hat seine Zeit‘, waren seine Worte. Und jetzt hat er mit der Zeit abgeschlossen. Ihm bleiben die Erinnerungen. Mich hat es beeindruckt, wie er damit umgegangen ist“, erzählt sie ihrem Gegenüber, den sie gerade erst kennengelernt hat.
Ein Gong ertönt und die Teilnehmenden rücken alle einen Platz weiter, so dass sich neue Paarkonstellationen ergeben. „Geschlechtergerechte Sprache ist für mich… – bitte ergänzt den Satz und tauscht euch kurz darüber aus“, ermutigt die Autorin dieser Zeilen und Leiterin des Frauenreferats der EKvW die Gruppe zum Gespräch.
In neuen Konstellationen wird angeregt über den Sinn des Gendersternchens und die eigenen Schwierigkeiten und Erfolge in der Umsetzung geschlechtergerechter Formulierungen gesprochen. „Und ganz nebenbei lernen sich die Teilnehmenden bereits intensiv kennen“, erläutert Nicole Richter einen weiteren Sinn der Methode.

Stille des Stifts Börstel bietet besonderen Rahmen

Zum vierten Mal bietet das Frauenreferat der EKvW in Kooperation mit dem Fachbereich Männer, Familie, Ehrenamt des Instituts für Kirche und Gesellschaft ein Genderseminar im Kloster zu Jahresbeginn an. Das Seminar ist immer sehr schnell ausgebucht.
„Das Alte Revue passieren lassen und sich auf das Neue bewusst ausrichten, ist eine sehr achtsame Form für einen Jahresbeginn, die viele durch das Jahr trägt“, weiß Martin Treichel.
Schwerpunkte des Seminars sind zum einen geschlechterpolitische Impulse, aber auch der Austausch über biblische Texte. So haben sich in diesem Jahr die Teilnehmenden einen Tag lang mit der Kirchentagslosung „Was für ein Vertrauen“ (2. Buch der Könige, Kapitel 18, Vers 19) beschäftigt. Mit kreativen Methoden wie Bibelteilen kamen sie in eine intensive Auseinandersetzung mit dem Text. Standbilder, die zu einzelnen Bibelstellen mit den Teilnehmenden improvisiert wurden, ermöglichten einen neuen, visuellen Zugang zum Text.
Die Stille des Stifts Börstel bietet für ein solches Seminar den besonderen Rahmen. Die regelmäßigen Gebetszeiten in der alten und zu dieser Jahreszeit sehr kalten Klosterkirche eröffnen den Teilnehmenden über den Tag hinweg immer wieder besondere Zeiten der Einkehr und der Stille. Yogaangebote am frühen Morgen und meditative Wanderungen am Nachmittag runden das vielfältige Programm ab.
Das nächste Genderseminar findet im Herbst vom 3. bis 6. Oktober statt. Unter dem Titel „Mensch sein – mit Leib und Seele“ besteht die Möglichkeit, vier Tage in einer umgebauten Kirche in der Weinregion Bernkastel-Kues miteinander zu leben.
Wer schon vorher eine Zeit im Kloster sucht, kann sich zu einer Fasten-Einkehrzeit für Frauen anmelden. Diese findet vom 8. bis 10. März im Stift Börstel statt. Im Fokus steht die Frage nach bewusstem Verzicht und einem Nachdenken über eine Ethik des Genug.

Weitere Informationen und Möglichkeiten zur Anmeldung für diese Veranstaltungen gibt es auch unter www.kircheundgesellschaft.de.