UK 5/2016 Armutsbericht (Seite 1, Leitartikel: „Reich? Oder superreich?“)
Sie führen an: Die Unterschiede, wie sich Reichtum verteilt, werden immer größer. Ist das nun schlimm oder schlecht? Oder ist das normal, unvermeidlich? Oder sogar gut?
Wenn es schlimm oder schlecht ist, gäbe es ein probates Mittel: Jeglichen Besitz abschaffen nach dem Motto „Eigentum ist Diebstahl“. Gleiche Armut für alle würde alle Unterschiede beseitigen. Und damit auch den Wohlstand, in dem wir leben. Ein bisschen „reich“ sein und bleiben und etwas mehr haben wollen doch die allermeisten von uns gern.
Reichtum und Wohlstand waren und sind ungleichmäßig verteilt, bei uns in Deutschland, in Europa und in der ganzen Welt. Eine der Ursachen ist, dass die Menschheit seit Urzeiten neue Werte schafft, bestehende wie neu geschaffene aber nie gleichmäßig verteilt werden. Und jeder darf und muss dabei – auch – an sich selbst denken: Warum sonst sollten sich etwa junge Leute den Mühen einer Ausbildung unterziehen, wenn sich das nicht lohnt.
(Fast) Jeder liebt sich selbst. Von der Eigenliebe als Selbstverständlichkeit ist Christus ausgegangen, als er sie zum Maßstab für die Nächstenliebe bestimmt hat. Die Eigenliebe vollzieht sich unter anderem im Wirtschaften zum eigenen Vorteil.
Auch mir stößt die Ungleichmäßigkeit der Verteilung des Reichtums dieser Erde auf. Mein Empfinden, dass diese Ungleichmäßigkeit nicht gerecht sei, heißt nicht, dass sie wirklich ungerecht ist. Ungleichmäßigkeit wäre dann ein Unrecht, also ungerecht, wenn sie gegen ein Gesetz verstößt. Es ist schwer zu fassen: Ein solches Gesetz gibt es nicht. Gerechtigkeit gibt es nur durch Gott und nicht durch Gesetze der Menschen, hat schon der Apostel Paulus gesagt.
Zu bedenken ist: Die Lebensbedingungen nicht nur von uns Abendländern haben sich in den letzten 2000 Jahren, wenn auch in Wellen, deutlichst verbessert: Alle leben besser, sind „reicher“ geworden. Heute hat in Deutschland ein Hartz IV-Empfänger einen höheren Lebensstandard als „Otto Normalverbraucher“ vor fünfzig Jahren. In den letzten Jahrzehnten hat die Menschheit um Milliarden zugenommen. Die Zahl derjenigen, die so arm sind, dass sie nicht ausreichend zu essen und zu trinken haben, ist dagegen erheblich zurückgegangen. Solche Armut konzentriert sich mehr und mehr auf bestimmte Länder, die ihre Schwierigkeiten nicht in den Griff bekommen.
Wenn auch einige wenige Menschen immer reicher werden, auch der Lebensstandard der Menschheit im Allgemeinen ist zugleich gestiegen. Die Schere zwischen Arm und Reich mag sich immer weiter öffnen. Solange dabei langfristig das untere Scherenblatt auch nach oben zeigt, profitieren die Reichen wie auch der große Rest der Menschheit von einer wirtschaftlich positiven Entwicklung.
Wir müssen versuchen, Not und Armut einzelner Mitmenschen so niedrig zu halten wie möglich. Ganz vermeiden lassen sie sich nie, auch bei Praktizierung christlicher Nächstenliebe.
Karl Bauer, Bochum
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