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Alle können kommen

In Königs Wusterhausen unterhält das Diakoniewerk Simeon eine Tee- und Wärmestube. Doch das Angebot sieht einer ungewissen Zukunft entgegen. Katharina Körting war zu Besuch und berichtet

Foto links: Jeannette Stürze und Lidia Scheifer in der Küche. Foto rechts: Stammgast Christine lebt auf der Straße. Ihre Hand ist nach einem Sturz verletzt, sie trägt einen Verband.
Foto links: Jeannette Stürze und Lidia Scheifer in der Küche. Foto rechts: Stammgast Christine lebt auf der Straße. Ihre Hand ist nach einem Sturz verletzt, sie trägt einen Verband.Katharina Körting

Die Tee- und Wärmestube in Königs Wusterhausen macht ihrem Namen alle Ehre: In dem kleinen Raum, nur wenige Fußminuten vom Bahnhof entfernt, wird einem sofort warm. „Es ist wichtig, dass wir zentral liegen“, sagt Jeannette Stürze. Seit sechs Jahren ist sie hier als Sozialarbeiterin für das Diakonische Werk Lübben, Tochter des Diakoniewerks Simeon.

An diesem Vormittag betreten nach und nach etwa 20 Personen den bescheiden möblierten Raum, Frauen und Männer, die meisten über 50. Neuankömmlinge werden laut begrüßt: „Wie geht’s dir denn, meine Süße? Lange nicht geknuddelt, komm her!“ Es werden Informationen und Frustrationen ausgetauscht. „Es kann nicht sein, dass ich für Margarine 3 Euro bezahlen muss – das sind Verbrecherpreise!“ – „In den Geschäften gibt es überhaupt keine kleinen Größen mehr, Wahnsinn ist das! Da müssen die sich nicht wundern, dass bei denen keiner kauft!“

Höhere Preise, mehr Bedürftige

Es gibt Tee oder Kaffee. Gäste können duschen, Wäsche waschen lassen oder die Sozialberatung nutzen. Auch die Kleiderkammer steht wieder zur Verfügung. „Wir sind noch beim Einräumen“, erzählt Stürze und zeigt den kleinen Raum, in dem vor leeren Regalen gefüllte Tüten liegen. Weitere Kleidungsspenden sind willkommen, denn mit den steigenden Preisen wächst die Zahl der Bedürftigen. Einkommensnachweise wollen sie hier nicht sehen: „Bei uns kann wirklich jeder kommen“, sagt Stürze. Drogen und Alkohol in der Stube sind natürlich tabu, „aber wenn jemand ein bisschen angesäuselt ist, schicke ich die nicht weg“.

Täglich kommen etwa 30 Gäste, Tendenz steigend. Einige sind wohnungslos, ab und zu kommen Eltern mit ihren Kindern, unter den Stammgästen sind viele in Rente oder Frührente, die mit ihrem knappen Budget mehr schlecht als recht über die Runden kommen. In der Wärmestube erhalten sie eine warme Mahlzeit, Tee, Kaffee, manchmal auch Kuchen – „je nach Spenden“. Zurzeit gäben nur die Bäckereien etwas, erzählt Stürze, die Zutaten fürs Mittagessen müsse die Wärmestube aktuell zukaufen: „Wir brauchen dringend Spenden!“ Viele Gäste kämen vorrangig zum Essen, „und ich denke, das wird auch noch zunehmen.“

Jeannette Stürze ist die einzige hauptamtliche Mitarbeiterin. Mit ihr kümmern sich drei Ehrenamt­liche regelmäßig um die Menschen, die hier zusammentreffen. Lidia Scheifer ist seit der Gründung im Jahr 2001 dabei. Sie kam ein Jahr vorher als Deutschrussin aus Sibirien ins Land, hielt sich mit verschiedenen Jobs über Wasser – und hilft nun zusätzlich als Dolmetscherin, da auch russischsprachige Geflüchtete zu den Gästen gehören.

Lidia Scheifer ist gelernte Verkäuferin, aber in der Wärmestube arbeitet sie als Köchin. An jedem Öffnungstag bereitet sie in der Küche eine warme Suppe zu, mit Glück beziehungsweise bei groß­zügigen Spenden auch mit Fleisch. „Ich koche, was da ist, große Auswahl gibt es ja nicht“, sagt sie und lacht: „Ich tue das gern.“

Geschichten aus dem Leben

Die Nachnamen der Gäste sind im Folgenden weggelassen, um deren Privatsphäre zu schützen. An einem der Tische sitzt Christine, ihr gegenüber Norbert. Er will nicht mit aufs Foto. Gegen ein Gespräch haben beide nichts einzuwenden. Er ist Rentner, war vorher Transport- und Lagerarbeiter. Allein zuhause zu hocken ist ihm zu langweilig, also kommt er ab und zu vorbei, „einen Kaffee kaufen“.

Ehrenamtler Jens-Uwe Miethig, der sich selbst als „Mädchen für alles“ bezeichnet, korrigiert sofort: „Spende, Norbert!“ „Früher gab es auch Spiele“, erinnert der sich, „aber das ist irgendwie eingeschlafen.“

Christine hat wenig Lust zu erzählen. Warum ist sie hier? „Weil ich obdachlos bin.“ Die Nächte verbringe sie „naja, in der Sparkasse“. Sie war früher Wirtschaftsgehilfin, hat in der Gastronomie gearbeitet, oder im Krankenhaus. Mary setzt sich zu ihr. Vor zwei Jahren floh die junge Frau aus dem Iran. „Hier treffe ich meine Freunde“, sagt sie. Sie nutzt die Migrationsberatung im selben Gebäude und die Kleiderkammer. Als es um ein Foto geht, feuert Norbert Christine an: „Hübsches Gesicht machen!“ Christine guckt zweifelnd. „Du bist schön!“, sagt Mary. Das bringt die Ältere zum Lächeln.

Doch das Angebot ist gefährdet. Im April des vergangenen Jahres hatte die Caritas für das Erzbistum Berlin die Schließung des CARIsatt-Ladens im selben Gebäude zum
Jahresende angekündigt. Damit stand auch die Finanzierung der Tee- und Wärmestube auf der Kippe, da es sich um eine ökumenische Kooperation handelte.

Alles ist im Umbruch

Mithilfe des Landkreises Dahme-Spreewald und der Stadt ist die Wärmestube nun vorerst gesichert – allerdings erstmal nur bis zum kommenden Jahr. Nach dem Winter 2024 will der Eigentümer des Geländes, Fahrrad Ranziger, die Räume selbst nutzen. „Es ist alles ein bisschen im Umbruch“, sagt Stürze. Trotz der unsicheren Lage sind seit diesem Jahr die Öffnungszeiten auf vier Tage ausgedehnt.

Die Tee- und Wärmestube in Königs Wusterhausen, Maxim-Gorki-Straße 6/7, ist Mo, Di, Mi 9–13 Uhr, Fr 9–12 Uhr geöffnet. Jeden 1. Freitag im Monat von 8–10 Uhr kommt ein Frisör. Wer Lebens­mittel oder Kleidung spenden kann, melde sich gern bei Jeannette Stürze unter E-Mail: j.stuerze@diakoniewerk-simeon.de oder telefonisch unter: 03375/2108121
Spenden: Diakoniewerk Simeon gGmbH – IBAN: DE90 3506 0190 0000 0300 07 – Bank für Kirche und Diakonie