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AfD gegen Verfassungsschutz: Streit über Volksbegriff

Im Berufungsverfahren vor dem nordrhein-westfälischen Oberverwaltungsgericht (OVG) haben Vertreter der AfD und des Verfassungsschutzes am Donnerstag in Münster über den Volksbegriff der Partei und deren Haltung zu Ausländern und Muslimen gestritten. Der Anwalt des Bundesamts für Verfassungsschutz (BfV), Wolfgang Roth, warf der Partei vor, sie stelle in ihren öffentlichen Äußerungen ein ethnisch definiertes deutsches Volk über andere Ethnien. Die AfD wolle Migrationsströme umkehren und verwende für diese Vertreibung von Migranten aus Deutschland den Begriff „Remigration“.

Die AfD verwies dagegen auf ihr Parteiprogramm. In der Programmkommission werde nichts beschlossen, das gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung verstoße, sagte Bundesvorstand Peter Boehringer. Er bestritt einen Rechtsruck in der AfD. Auch habe der radikale „Flügel“ des Thüringer AfD-Vorsitzenden Björn Höcke die Partei nie dominiert.

Die Haltung der AfD zu Flüchtlingen und Zuwanderern wurde in der mündlichen Verhandlung ausführlich am Beispiel des „Einzelfalltickers“ erörtert, mit dem die Partei das angeblich „wahre Ausmaß“ der von Migranten begangenen Gewaltdelikte deutlich machen will. Der Verfassungsschutz erklärte, mit dieser zynisch „Einzelfall“ genannten Sammlung wolle die AfD alle Ausländer diskreditieren und als Gewalttäter und „Messermänner“ darstellen, die potenziell kriminell seien und den Sozialstaat ausbeuten wollten.

Den Vorwurf der Islamfeindlichkeit wies die AfD ebenfalls mit Hinweis auf ihr Programm zurück. Auch Muslimen werde darin Religionsfreiheit zugestanden, argumentierte ein Anwalt der Partei. Parteivorstand Boehringer sagte, zum Thema Islam gebe es in der AfD unterschiedliche Meinungen. Der AfD-Spitzenkandidat für die Europawahl, Maximilian Krah, erklärte, ein Satz wie „Der Islam gehört nicht zu Deutschland“ sei in seiner Partei heute nicht mehr mehrheitsfähig.

Verfassungsschutz-Anwalt Roth hob dagegen erneut die Aussagen von AfD-Vertretern hervor. So werde etwa der Islam als „terroristische Vereinigung“ bezeichnet. Der kulturpolitische Sprecher der AfD-Landtagsfraktion in Sachsen-Anhalt, Hans-Thomas Tillschneider, warne in Büchern deutsche Mädchen vor muslimischen Jungen.

Das OVG Münster muss klären, ob das Bundesamt für Verfassungsschutz die AfD und ihre Jugendorganisation „Junge Alternative“ zu Recht als rechtsextremistische Verdachtsfälle eingestuft hat. Das Verwaltungsgericht Köln hatte dies 2022 bejaht, die AfD ging dagegen in Berufung. Zudem geht es vor dem OVG um die Einstufung des sogenannten Flügels der AfD als Verdachtsfall und als „gesichert extremistische Bestrebung“. (AZ: 5 A 1218/22, 5 A 1217/22 und 5 A 1216/22)