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Ärzteorganisation klagt wegen Triage in Karlsruhe

Wer erhält zum Überleben ein Atemgerät oder ein Intensivbett? Mediziner und der Marburger Bund klagen gegen die im November 2022 verabschiedete Triage-Reform im deutschen Infektionsschutzgesetz.

Fachärzte aus den Bereichen Notfall- und Intensivmedizin klagen gegen die verabschiedete Reform des Infektionsschutzgesetzes zur sogenannten Triage
Fachärzte aus den Bereichen Notfall- und Intensivmedizin klagen gegen die verabschiedete Reform des Infektionsschutzgesetzes zur sogenannten TriageImago / Wirestock

Darf eine medizinische Behandlung abgebrochen werden, wenn ein sterbender Mensch intensivmedizinisch betreut wird und ein anderer Patient mit größeren Chancen auf eine Behandlung wartet? Wegen dieser Frage haben 14 Fachärztinnen und Fachärzte aus den Bereichen Notfall- und Intensivmedizin Verfassungsbeschwerde in Karlsruhe eingereicht. Unterstützt werden sie von der Ärztegewerkschaft Marburger Bund, wie das Deutsche Ärzteblatt berichtete.

Die Klage richtet sich gegen eine im November 2022 vom Bundestag verabschiedete Reform des Infektionsschutzgesetzes zur sogenannten Triage. Dabei geht es um die Frage, wer überlebenswichtige Geräte wie etwa ein Atemgerät oder ein Intensivbett erhält, wenn nicht genügend Ressourcen für alle Patienten vorhanden sind.

Drohende Überlastung des Gesundheitswesens während der Corona-Pandemie

Der Bundestag hatte unter dem Eindruck einer drohenden Überlastung des Gesundheitswesens während der Corona-Pandemie beschlossen, dass künftig allein die aktuelle und kurzfristige Überlebenswahrscheinlichkeit lebensbedrohlich erkrankter Menschen den Ausschlag dafür geben sollte, wer bei begrenzten Kapazitäten intensivmedizinisch behandelt wird. Alter oder Behinderung sollen demnach kein Kriterium für eine Negativauswahl sein.

Zusätzlich beschloss der Bundestag ein Verbot der sogenannten “Ex-post-Triage”. So wird verhindert, dass eine bereits laufende Behandlung abgebrochen wird, wenn ein anderer Patient bessere Überlebenschancen hat. Gegen diese schon damals umstrittene Regelung wendet sich nur der Marburger Bund. Er begründet seine Klage mit der ärztlichen Berufs- und Therapiefreiheit, die er durch das bisherige juristische Verbot der Ex-Post-Triage bedroht sieht. Die Landesärztekammern von Hessen und Westfalen-Lippe hatten diese Verfassungsklage im November ausdrücklich unterstützt. Auch die Bundesärztekammer hat sich bereits im Mai 2022 auf dem 126. Ärztetag in einem Beschluss für die Einführung der Ex-Post-Triage ausgesprochen.

Verunsicherungen und Angst vor strafrechtlichen Konsequenzen

Die entsprechende Gesetzesänderung habe bei vielen Ärztinnen und Ärzten auf Intensivstationen und in Notaufnahmen zu Verunsicherungen und Angst vor strafrechtlichen Konsequenzen geführt, erklärte die Ärzteorganisation. Es gehe dabei im Wesentlichen um die Frage, ob das Verbot der Ex-post-Triage mit der grundrechtlich geschützten ärztlichen Therapiefreiheit kollidiere, die das Überleben möglichst vieler intensivpflichtiger Patienten zu erreichen versucht.

Die Erste Vorsitzende des Marburger Bundes, Susanne Johna, sagte dazu im November, das vom Bundestag beschlossene Verbot der Ex-Post-Triage könne dazu führen, dass Menschen mit höherer Überlebenswahrscheinlichkeit sterben, weil sie keine intensivmedizinischen Ressourcen bekommen, die ein anderer Patient mit aktuell deutlich schlechteren Überlebenschancen in Anspruch nimmt. Das widerspreche dem ärztlichen Ethos und dem Grundrecht der Berufsfreiheit. “Das Kriterium der aktuellen und kurzfristigen Überlebenswahrscheinlichkeit muss für alle Patienten gelten, die die knappe Behandlungsressource brauchen.”

In Pandemiezeiten zum Schutz von Menschen mit Behinderung

Das Bundesverfassungsgericht hatte den Gesetzgeber Ende 2021 aufgefordert, unverzüglich Vorkehrungen zum Schutz von Menschen mit Behinderung bei Triage-Entscheidungen in Pandemie-Situationen zu treffen. Das führte zu dem entsprechenden Gesetz.