Das Chorgestühl der Kirche im mecklenburgischen Gägelow bei Sternberg (Landkreis Ludwigslust-Parchim) ist neuesten Untersuchungen zufolge das älteste bekannte, vollständige Kunstwerk dieser Art in Deutschland. Dendrochronologische Untersuchungen im Dezember vergangenen Jahres hätten ergeben, dass das Chorgestühl vermutlich im Jahr 1247 hergestellt worden sei, sagte Bauforscher Tilo Schöfbeck bei der Vorstellung der Forschungsergebnisse am Mittwoch in Gägelow. Neben spätromanischen Resten im Ratzeburger Dom gelten die Gestühle von Havelberg, Einbeck und Doberan aus den 1280/90er Jahren bisher als älteste Vertreter von Chorgestühlen.
Das Chorgestühl von Gägelow sei schon seit längerer Zeit aufgefallen, „wegen seiner Größe und seinem Standort in einer abgelegenen Landpfarre“, so Schöfbeck. Restauratorische Untersuchungen der Studentin Lea Morath im Rahmen ihrer Masterarbeit hätten im vergangenen Jahr Anhaltspunkte auf eine frühere, aufwendigere Gestaltung gegeben. So sei das heute in schlichten Holzfarben gehaltene Gestühl früher vermutlich bunt bemalt gewesen.
Daraufhin habe der Bauforscher die Datierung überprüfen wollen und dem Holz im Dezember 2023 kleine Mikrobohrkerne entnommen, um diese Proben dendrochronologisch untersuchen zu lassen. Damit könne sich das Alter der Bäume anhand der Jahresringe des verarbeiteten Holzes feststellen lassen. Schöfbeck: „Als Wissenschaftler produziert man ja nicht so gern Sensationen, aber das Ergebnis war eine echte Überraschung.“
Das Gägelower Chorgestühl, dessen Entstehung bisher auf 1325 datiert wurde, sei „handwerklich hervorragend hergestellt worden“, so Schöfbeck. Die Handwerker hätten sich „in den konstruktiven Details als erfahrene Könner ihres Metiers erwiesen und dürften vorher in anderen Landschaften gearbeitet haben“. Das Formengut sei für die Zeit hochmodern.
Schöfbecks Vermutung zufolge ist das Chorgestühl damit älter als der Kirchenbau selbst, dessen Entstehungszeit historischen Quellen zufolge auf 1266 datiert werden kann. So stamme das Kunstwerk wahrscheinlich aus dem nahe gelegenen Kloster Dobbertin, sei aber eigentlich zu groß für die kleine Kirche. Schöfbeck: „Das Gägelower Chorgestühl wirft viele Fragen auf. Wir stehen noch ganz am Anfang, aber es bleibt spannend.“
Über den Sommer soll das Gestühl von Lea Morath restauriert und noch in diesem Jahr wieder aufgebaut werden.