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Adventslieder-Serie: „Die Nacht ist vorgedrungen“ gibt Hoffnung

In einer kleinen Serie stellen wir in den folgenden Wochen einige Adventslieder vor. Zum ersten Advent geht es um „Die Nacht ist vorgedrungen“ von Jochen Klepper (1903-1942).

© epd-bild / Rainer Oettel

Der Morgenstern. Ein kleiner Lichtpunkt am dämmrigen Himmel. Nur ein wenig heller als die anderen Sterne – aber doch das Strahlen eines großen Versprechens: Die Nacht wird nicht ewig währen. Das Licht ist schon zu ahnen. Es kommt, und es wird die Dunkelheit besiegen. Wir hoffen nicht umsonst.

Wer das Lied „Die Nacht ist vorgedrungen“ von Jochen Klepper singt, findet diese Hoffnung in jeder Zeile. Es ist eine verhaltene, geduldige Hoffnung. Sie richtet sich auf Gott, der Mensch geworden ist und mit den Menschen durch die Anfechtungen ihres Lebens geht – unspektakulär, aber beständig und verheißungsvoll wie das Licht des Morgensterns.

Jochen Klepper war mit einer Jüdin verheiratet

Klepper selbst stellte seinem Lied Verse aus dem Römerbrief voran: „Die Nacht ist vorgerückt, der Tag ist nahe herbeigekommen. So lasst uns ablegen die Werke der Finsternis und anlegen die Waffen des Lichts.“ (Römer 13,12).

Als Jochen Klepper im Jahr 1937 sein Adventslied schrieb – das er selbst in seiner Gedichtsammlung „Kyrie“ übrigens als „Weihnachtslied“ bezeichnet –, war ein Ende der politischen Dunkelheit in Deutschland nicht abzusehen. Bereits seit 1933 war der Dichter, der mit einer Jüdin verheiratet war und daher als „jüdisch versippt“ geführt wurde, von Entlassungen betroffen. Seine Frau Johanna und deren Töchter aus erster Ehe, Brigitte und Renate, wurden zunehmend drangsaliert.

Nationalsozialismus zwingt Familie in den Tod

Die Hoffnung auf ein Licht, das tröstlich durch die Nacht in den Morgen führt, war also auch eine sehr persönliche Hoffnung Kleppers. Das Dunkle im Leben hat ihn viel beschäftigt. Schon während seines Studiums erlitt er einen depressiven Zusammenbruch. Schuldkomplexe quälten ihn; bereits zu diesem Zeitpunkt trieb ihn die Frage nach einem Suizid um.

Es ist wohl bezeichnend für seine Lebenshaltung und seinen Glauben, dass er nicht überschwänglich von der „rechten Freudensonn“ singen will, wie es im Adventslied „Macht hoch die Tür“ (eg 1) heißt. Trotzdem spricht eine tiefe Zuversicht aus seinem Adventslied – die Zuversicht, dass das Dunkel nicht überhandnimmt im Leben und in der Welt. Für Jochen Klepper und seine Familie wurde es jedoch nicht mehr hell. Als sich im Dezember 1942 die letzte Hoffnung zerschlägt, dass Johanna Klepper und ihre Tochter Renate ausreisen dürfen und ihre Deportation unmittelbar bevorsteht, beschließen alle drei, gemeinsam in den Tod zu gehen.

Der letzte Tagebucheintrag Kleppers am 10. Dezember lautet: „Über uns steht in den letzten Stunden das Bild des segnenden Christus, der um uns ringt. In dessen Anblick endet unser Leben.“