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Abschiebepläne des Bundes gehen Kommunen und Ländern nicht weit genug

Die vom Bundeskabinett beschlossene Gesetzentwurf zur Verschärfung der Abschiebepraxis wird nach Einschätzung des Deutschen Städtetages und Politikern der Bundesländer zu wenig Wirkung entfalten. Der Städtetag dringt auf Rücknahmeabkommen mit den jeweiligen Herkunftsländern, und auch die Innenminister verlangen weitergehende Maßnahmen, um illegale Migration nach Deutschland zu begrenzen.

Städtetag-Hauptgeschäftsführer Helmut Dedy sagte dem „Redaktions-Netzwerk Deutschland“ (Donnerstag): „Das Ziel, Menschen ohne Bleibeperspektive in Deutschland schneller zurückzuführen, ist richtig. Aber wirksam werden diese Maßnahmen erst, wenn die Herkunftsländer diese Menschen auch aufnehmen.“ Dafür müssten schnell verlässliche Rücknahmeabkommen mit den jeweiligen Herkunftsländern geschlossen werden.

Die Bundesregierung will mit mehr Befugnissen für Polizei und Behörden die Zahl der Abschiebungen steigern. Der am Mittwoch beschlossene Gesetzentwurf sieht unter anderem vor, die Höchstdauer des Ausreisegewahrsams von zehn auf 28 Tage zu verlängern, Abschiebungen nicht mehr vorab anzukündigen und die Befugnisse der Polizei bei Durchsuchungen in Gemeinschaftsunterkünften zu erweitern. Die Pläne müssen noch vom Bundestag beraten und verabschiedet werden.

Auch die nordrhein-westfälische Ministerin für Flucht und Integration, Josefine Paul (Grüne), verwies darauf, dass Rückführungen bislang daran scheiterten, dass in den Herkunftsländern eine „mangelnde Rücknahmebereitschaft“ der Flüchtlinge bestehe. Deshalb seien Migrationsabkommen, die auch die Zuwanderung aus den Ländern regeln könnten, unverzichtbar, sagte Paul am Donnerstag im WDR-Radio. Zudem dauerten die Entscheidungen über die Asylanträge aufgrund der „personellen Ausstattung“ im Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) zu lange.

Nach Ansicht der Ministerin muss überdies mehr für die Integration getan werden. Dazu müssten „bürokratische Hürden“ abgebaut und dafür gesorgt werden, dass geflüchtete Menschen mit einer „guten Bleibeperspektive“ so schnell wie möglich in Arbeit kommen, forderte Paul.

Der brandenburgische Innenminister Michael Stübgen (CDU) sagte der „Welt“ (Donnerstag): „Abschiebungen scheitern in der Regel daran, dass die Passpapiere fehlen oder die Herkunftsländer ihre Landsleute nicht zurücknehmen wollen.“ Diese Probleme würden durch den Gesetzentwurf nicht gelöst. Peter Beuth (CDU), Innenminister in Hessen und derzeit Sprecher der unionsgeführten Länder in der Innenministerkonferenz, sagte der Zeitung: „Dass dieser Gesetzentwurf keine nennenswerte Entlastung der Kommunen bringen wird, muss allen klar sein.“

Ende September lebten nach Angaben des Bundesinnenministeriums 255.000 ausreisepflichtige Ausländer in Deutschland. Rund 205.000 von ihnen hatten aber eine Duldung, können aktuell also nicht abgeschoben werden. Rund 12.000 Abschiebungen gab es in diesem Jahr laut Ministerium bis Ende September. Das sind mehr als im Vergleichszeitraum des Vorjahres, aber deutlich weniger als in der Zeit vor der Corona-Pandemie.