Die Kassenleistungen für Gentests sind ethisch umstritten. Eigentlich sollten sie eine Ausnahme sein. Parlamentarier fordern eine Prüfung der Folgen und warnen vor der ungeregelten Anwendung weiterer Tests.
Vorgeburtliche Bluttests auf genetische Besonderheiten (NIPT) entwickeln sich nach Einschätzung einiger Parlamentarier trotz Vorbehalten des Gesetzgebers zu einer Routineuntersuchung. Eine parteiübergreifende Gruppe von Bundestagsabgeordneten zur Pränataldiagnostik kritisierte eine solche Entwicklung am Freitag in Berlin und verlangte Konsequenzen.
Sie berief sich auf die Abrechnungszahlen zum NIPT im ersten Jahr seit Kassenzulassung. Demnach kam von Juli 2022 bis Juni 2023 statistisch auf 2,5 Geburten ein Test auf Trisomien 13, 18 und 21. Das gehe eindeutig über “begründete Einzelfälle” hinaus, wie es die Selbstverwaltung im Gesundheitswesen eigentlich vorsehe.
Die Kassenzulassung galt als hoch umstritten, weil damit ein Massenscreening nach möglichen Gendefekten befürchtet wird, bei dem Menschen mit möglichen Behinderungen “aussortiert” werden. Die interfraktionelle Gruppe hat nun einen Antrag auf den Weg gebracht, in dem die Bundesregierung aufgefordert wird, Folgen der Kassenzulassung von Tests auszuwerten und die ethischen, rechtlichen und gesundheitspolitischen Grundlagen der Kassenzulassung von einem Expertengremium prüfen zu lassen. Das entspreche auch dem Bundesratsbeschluss zur “Kassenzulassung des nicht-invasiven Pränataltests (NIPT) – Monitoring der Konsequenzen und Einrichtung eines Gremiums” vom 16. Juni 2023.
Bei der Orientierungsdebatte 2019 zu pränatalen Bluttests als Kassenleistung seien sich alle Fraktionen einig gewesen, dass der Test nicht als Reihenuntersuchung eingesetzt werden dürfe, betonten die Abgeordneten. Sie mahnen auch deshalb zur Eile, weil weitere molekulargenetische Tests in absehbarer Zeit Wahrscheinlichkeiten anderer genetischer Besonderheiten anzeigen könnten. Diese Entwicklung berühre fundamentale ethische Grundfragen der Werteordnung. Das Parlament habe die Aufgabe, hier Bedingungen und Grenzen zu definieren.
Die Gruppe konstituierte sich im Juli 2022 mit dem Ziel, eine Routineanwendung von Trisomien-Bluttests und selektiver Pränataldiagnostik zu verhindern. Denn dies widerspreche “grundsätzlich der Idee einer inklusiven Gesellschaft und Artikel 8 der UN-Behindertenrechtskonvention”. Zu den Mitgliedern gehören Michael Brand, Hubert Hüppe, Sabine Weiss (alle CDU), Stephan Pilsinger (CSU), Dagmar Schmidt (SPD), Corinna Rüffer (Grünen), Pascal Kober (FDP) und Sören Pellmann (Die Linke).