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Abgeordnete haben keinen Anspruch auf Elternzeit

Der Aufschrei war groß, als der Ex-Finanzminister und werdende Vater ankündigte, er wolle keine Elternzeit nehmen. Falls Lindner wieder in den Bundestag einziehen sollte, hätte er tatsächlich keinen Anspruch darauf.

Elternzeit zu nehmen sei in seinem Job nicht vorgesehen, so sagte es der ehemalige Finanzminister und FDP-Chef vor einigen Tagen in einem Interview der Illustrierten “Bunte”. Falls seine Partei bei den Neuwahlen die Fünf-Prozent-Hürde schaffen und er erneut in den Bundestag einziehen sollte, hätte Christian Lindner recht: Für Abgeordnete ist keine Elternzeit vorgesehen. Auch für Frauen bedeutet das, dass sie nach dem Mutterschutz von acht Wochen nach der Geburt wieder ihren Job aufnehmen müssen.

Zu den prominentesten Abgeordneten, die bereits wenige Wochen nach der Geburt zurück in das politische Berlin mussten, gehören Andrea Nahles und Kristina Schröder. Nahles bekam ihre Tochter in der Zeit als SPD-Generalsekretärin, Schröder war die erste Ministerin, die während ihrer Amtszeit Mutter wurde. Während Nahles sich mit Äußerungen über diese Zeit zurückhielt, haderte Schröder im Nachhinein mit der Belastung durch die Spitzenposition. Sie habe viele schöne Momente in ihrer Familie verpasst. Nach der Geburt ihrer zweiten Tochter strebte sie kein weiteres Mandat mehr an.

Auch “einfache” Abgeordnete ohne ein Ministeramt müssen schauen, wie sie ihre Tätigkeit und ihr Eltern-Sein unter einen Hut bekommen. Vergleichsweise einfach haben es da Abgeordnete, die ihren Wahlkreis in Berlin haben und die die Bundestagskita im Regierungsviertel nutzen können. Dort ist ein spezielles Kontingent für deren Kinder vorgesehen und nimmt sie bereits ab dem Alter von sechs Monaten auf.

Abgeordnete aus weiter entfernt liegenden Wahlkreisen müssen da stärker improvisieren. Die FDP-Abgeordnete Gyde Jensen, die aus Kiel kommt, nahm ihre kleine Tochter oft mit ins Büro. Ihr Mann, ihre Schwester oder ihre Eltern halfen dann bei der Betreuung mit. Ähnlich lief es ab, als ihre zweite Tochter geboren wurde.

Dass es überhaupt möglich ist, Babys auch länger mit ins Abgeordnetenbüro zu nehmen, ist einer fraktionsübergreifenden Initiative zu verdanken, die sich vor zehn Jahren gründete. Ihr gehörte neben Schröder auch die heutige Vorsitzende der Grünen, Franziska Brantner, an. Wenn es schon keine Elternzeit gibt, sollte zumindest der Bundestag familienfreundlicher werden, so die Idee: Sie erreichten, dass es inzwischen Spiel-, Wickel- und Stillzimmer gibt, wo sich Schwangere oder stillende Mütter bei Bedarf auch ausruhen können.

Außerdem gibt es Eltern-Kind-Büros sowohl für Abgeordnete als auch für Beschäftigte des Hauses. Sollten Abgeordnete bei namentlichen Abstimmungen aufgrund des Mutterschutzes fehlen, werden junge Mütter im Protokoll seit einigen Jahren als entschuldigt aufgeführt.

Immerhin Fortschritte, wenn auch vergleichsweise kleine. Vor allem dann, wenn man über den deutschen Tellerrand hinaus blickt: Gerade in einigen skandinavischen Ländern ist es durchaus üblich, dass sich junge Eltern auch während ihrer Abgeordnetentätigkeit beurlauben lassen können. Auch in Neuseeland gibt es mehr Freiräume für junge Abgeordnete, die gerade Eltern wurden. Das Thema geriet besonders in den Fokus, als die damalige Premierministerin Jacinda Ardern Mutter wurde.

Und so sind Babys im Bundestag immer noch die Ausnahme. Erst recht, wenn männliche Abgeordnete Väter werden. In der Regel schauen die Mütter mit dem Nachwuchs dann höchstens für einen Kurzbesuch vorbei. Zugleich werden Männer in Spitzenpositionen nicht selten gefeiert, wenn sie öffentlich angeben, Zeit für ihren Nachwuchs einzuräumen. So war es etwa bei Ex-Minister Sigmar Gabriel, als er in seiner Amtszeit häufiger betonte, auch in Sitzungswochen an einem Tag in der Woche seine Tochter aus der Kita abzuholen.

Zurück zu Lindner: In dem Interview der “Bunten” gibt er nicht näher an, was er unter “seinem Job” versteht. In den Umfragen pendelt seine Partei derzeit zwischen vier und fünf Prozent – der Einzug in den Bundestag ist also alles andere als sicher. Bliebe er “nur” Parteichef, wäre eine Elternzeit theoretisch durchaus möglich, wenngleich auch immer noch eine Ausnahme. Zumindest sagt er in dem Interview auch, er wolle sich als Väter “Freiräume” schaffen. Auch seine Frau sei berufstätig. Schon “von daher werden wir uns als Familie gleichberechtigt aufstellen”, sagt er. Was er damit konkret meint, bleibt abzuwarten.