Der Bonner Moraltheologe Jochen Sautermeister hat die ablehnende Haltung von Vertretern der katholischen Kirche zur Wahl der Juristin Frauke Brosius-Gersdorf als Richterin am Bundesverfassungsgericht verteidigt. „Das ist weder unvernünftig noch radikal“, schrieb der katholische Theologe im „Kölner Stadt-Anzeiger“ (Freitag online). Es sei „die Konsequenz einer politischen Kontroverse, bei der es um nichts weniger als um die Auslegung der Menschenwürde geht und dabei um die Bedeutung und Ausgestaltung des Lebensschutzes“.
Es gehe um Grundwerte und politische Kernthemen, schreibt Sautermeister, der auch Mitglied im Deutschen Ethikrat ist. Unionspolitiker, die gegen die Kandidatin Brosius-Gersdorf waren, seien „ebenso wenig mit radikalen Lebensschützern gleichzusetzen wie die katholische Kirche mit reaktionär-katholischen“ Bestrebungen.
Die fehlende Zustimmung einer beträchtlichen Zahl von Unionsabgeordneten zu Brosius-Gersdorf als Bundesverfassungsrichterin sollte „daher gerade nicht rhetorisch als neuer Kulturkampf oder radikale Revolte rechtskonservativer und rechtskatholischer Kreise diffamiert werden“, erklärte Sautermeister, der an der Katholischen Fakultät der Universität Bonn lehrt. Damit werde verkannt, dass Lebensschutz und Menschenwürde für die christlichen Parteien nicht zur Disposition stünden.
Sautermeister verwies auf den im Februar 2024 vorgelegten Bericht der von der früheren Bundesregierung eingesetzten Kommission zur reproduktiven Selbstbestimmung und Fortpflanzungsmedizin. Darin seien eindeutige Empfehlungen zu einer Reform des Paragrafen 218 des Strafgesetzbuchs formuliert worden, die eine Liberalisierung des Schwangerschaftsabbruchs zur Folge gehabt hätten. Demnach sollte eine Abtreibung in den ersten zwölf Wochen einer Schwangerschaft legal möglich sein, anstatt wie bislang rechtswidrig. Hauptverantwortlich für das Kapitel über eine solche Neuregelung sei Brosius-Gersdorf gewesen.
Die Wahl von drei neuen Richtern für das höchste Gericht in Deutschland war in der vergangenen Woche vom Bundestag wegen koalitionsinterner Querelen über die Staatsrechtlerin kurzfristig vertagt worden. Der von der SPD als Bundesverfassungsrichterin vorgeschlagene Juristin Brosius-Gersdorf war fälschlicherweise unter anderem vorgeworfen worden, sie befürworte die Möglichkeit von Abtreibungen bis zur Geburt.
In einer Expertenanhörung im Bundestag im Februar 2025 hatte sie sich allerdings lediglich zur Möglichkeit einer Regelung des Schwangerschaftsabbruchs außerhalb des Strafrechts bis zur zwölften Woche nach der Empfängnis geäußert.