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20 Jahre nach Tsunami – Frühwarnsysteme deutlich verbessert

Der Tsunami von 2004 im Indischen Ozean kostete rund 250.000 Menschen das Leben. Vier Jahre später wurde in der Region ein Frühwarnsystem in Betrieb genommen. Deutsche Forscher ziehen eine positive Bilanz.

20 Jahre nach dem Tsunami im Indischen Ozean ziehen Wissenschaftler eine positive Bilanz beim Aufbau von Frühwarnsystemen. Dank des unter Federführung des Deutschen GeoForschungsZentrums in Potsdam von 2005 bis 2008 entwickelten Frühwarnsystems GITEWS sei heute nicht nur der Indische Ozean besser auf solche Naturgefahren vorbereitet. Das System werde seit 2011 von den indonesischen Partnern unabhängig betrieben und weiterentwickelt. “Das ist auch eine Erfolgsgeschichte in Sachen Wissens- und Technologietransfer”, betont das GeoForschungsZentrum.

Die am zweiten Weihnachtsfeiertag 2004 ausgelöste riesige Flutwelle hatte 250.000 Menschen in den Tod gerissen – eine der größten Katastrophen, die jemals von einem Erdbeben ausgelöst wurden. Ursache war ein Mega-Beben vor der Küste Sumatras, das den Untergrund unter dem Meer über mehr als 1.000 Kilometer hinweg sprunghaft bewegte. Die Stärke des Bebens auf der Richterskala lag bei 9.3; damit ist es das drittstärkste je gemessene Erdbeben weltweit.

Die Bundesregierung beauftragte bereits 2005 ein Konsortium aus neun wissenschaftlichen Partnern unter Federführung des GeoForschungsZentrums mit der Entwicklung eines deutsch-indonesischen Tsunami-Frühwarnsystems. Berlin stellte mehr als 53 Millionen Euro bereit. Das Warnsystem stützte sich zunächst auf rund 300 Messstationen an den gefährdeten Küsten, die ihre Daten in Echtzeit an die Warnzentralen übermitteln.

Gekoppelt mit mehreren Tausend Tsunami-Simulationen, können damit Szenarien innerhalb weniger Minuten im Frühwarnzentrum in Jakarta erzeugt werden. Dort entscheiden dann Expertinnen und Experten, ob sie eine Warnung herausgeben.

Das Tsunami-Frühwarnsystem hat nach Angaben der Wissenschaftler seit 2007 mehrere Tausend Beben analysiert und vor gut einem Dutzend Tsunamis erfolgreich gewarnt. Es gab allerdings auch Flutwellen, vor denen nicht oder nicht rechtzeitig gewarnt werden konnte: Bei den Tsunamis von Mentawai 2010 und Palu 2018 erreichten die Wellen die Küsten so schnell, dass Warnungen nicht ankommen konnten. Nicht vorbereitet war das Warnsystem auch auf das Abrutschen einer Flanke des Vulkans Anak Krakatau, das 2018 einen Tsunami auslöste. Es gab kein starkes Erdbeben, und deshalb erkannte das System keine Gefahr.

Jörn Lauterjung, der das Frühwarnsystem mit aufgebaut hat, sagt, die Katastrophe von damals habe zu Frühwarn- und Schutzprogrammen in der ganzen Welt geführt, so auch in der Karibik oder im Mittelmeerraum. Doch selbst wenn die Technik funktioniert, ist “die letzte Meile” von entscheidender Bedeutung: die Kommunikation zwischen den Katastrophenschutzbehörden und der Bevölkerung vor Ort.

Eine wichtige Rolle spielen nach Lauterjungs Worten auch natürliche Warnzeichen. “So sollte man bei einem Erdbeben, das man längere Zeit spürt – mehr als 30 Sekunden – von sich aus den Strand und die Küstennähe verlassen.” Zentral ist deshalb die Befähigung der Bevölkerung, natürliche Warnzeichen zu erkennen. Der Wissenschaftler verweist als Beispiel auf traditionelles Wissen von Menschen, die auf der Insel Simeulue vor der Nordküste Sumatras leben. Über mehrere Generationen war dort die Legende eines Ungeheuers weitergegeben worden, das 1907 Tausende Menschen mit einer Flutwelle in den Tod gerissen habe. Obwohl der Tsunami 2004 auch auf Simeulue enorme Höhen erreichte, starben dort lediglich sieben Menschen, und mehrere Zehntausend konnten sich in höher gelegene Gebiete retten.

Das Potsdamer Forschungszentrum hat in den vergangenen Jahren nach eigener Darstellung zusätzliche Technologien entwickelt, die die Tsunami-Frühwarnung weiter verbessern können. So wurde ein System aufgebaut, das Daten auf Basis hochpräziser Satellitennavigationssysteme für die Frühwarnung bereitstellt.

Für Tsunamis, die durch Vulkane und Erdrutsche ausgelöst werden, gibt es nach wie vor keine wirkungsvollen Frühwarnsysteme. In den vergangenen Jahren wurde aber zumindest eine Strategie entwickelt, wie das Problem künftig angegangen werden kann. Dabei spielen das Monitoring und die Bewertung von Flankeninstabilitäten bei Vulkanen eine große Rolle.

Große Potenziale eröffnet die Nutzung bestehender Unterwasser-Telekommunikationskabel als Sensoren zur Überwachung von Erdbebenzonen, Vulkanen oder Ozeanen. Durch Bewegungen des Untergrunds verformen sich die Kabel, die durchgeleiteten Signale werden verzerrt. Daraus lassen sich Informationen über die Bewegung der Erde ableiten und sowohl Erdbebenwellen erfassen als auch Veränderungen in der Wassersäule. Im kommenden Jahr soll ein globales Monitoringzentrum aufgebaut werden, das diese Technologie nutzt.