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Zwischen Bütt und Kanzel

Gérôme Kostropetsch ist Pfarrer in der Prignitz – und auch Präsident des örtlichen Karnevalsvereins. Er ist überzeugt: Beides passt zusammen.

Gérôme Kostropetsch (rechts im Bild) auf der Bühne
Gérôme Kostropetsch (rechts im Bild) auf der BühneOliver Gierens

Vorher noch auf der Kanzel, jetzt auf der Showbühne: Im vergangenen Jahr hatte Gérôme Kostropetsch seinen ersten großen Auftritt als neuer Karnevalspräsident des Lenzener Carnevals-Club (LCC) „Blau-Weiß“ in dem kleinen Ort Lenzen, in der westlichen Prignitz. Auftritte vor größerem Publikum sind für den 34-Jährigen keine Seltenheit: Im Hauptberuf ist er evangelischer Pfarrer in Lenzen, predigt regel-mäßig vor vielen Menschen.

Dass er aber einmal nicht nur eine Gemeinde, sondern auch den Karnevalsverein leiten würde, das hat sich Kostropetsch bei seinem Umzug in die Kleinstadt an der Elbe vor fünf Jahren nicht träumen lassen. „Als Berliner hat man mit dem Karneval nicht wirklich Berührungspunkte“, erzählt er. „Bevor ich Karneval kannte, habe ich immer gedacht: O Gott, was ist das denn?“ Doch während seines Vikariats in Berlin hatte er eine Mentorin, die aus dem Rheinland kam – der Karnevalshochburg schlechthin in Deutschland. „Die hat das sehr gelebt und mich in diese Spur mit hineingenommen.“

Pfarrer und Karnevalspräsident: Gérôme Kostropetsch mit Doppelrolle

Als er Ende 2018 erstmals Lenzen besucht hat, sah er im Bus eine Werbung für den örtlichen Karnevalsverein – und fand das interessant, dort aktiv mitzuarbeiten. Als er frisch vor Ort war, wurde er bei einem Büttenabend direkt vereinnahmt. Im gleichen Jahr wurde er aktives Mitglied im LCC, in der nächsten Saison stand er sofort auf der Bühne. „Als Kind war ich in der Theater-Arbeitsgemeinschaft“ Dann kam die Anfrage, ob er Nachfolger des bisherigen Präsidenten werden wolle, der das Amt nach über 20 Jahren abgeben wollte. Für eine Kleinstadt ist das eher ungewöhnlich, dass einem Zugezogenen bereits nach so wenigen Jahren ein herausragendes Amt angetragen wird. „Dass das akzeptiert wird, liegt auch daran, dass ich hier sehr schnell aufgenommen wurde und mich bei den Leuten vorgestellt habe.“

 

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Bedenken ob der Doppelrolle als Ortspfarrer und Karnevalspräsident sah Gérôme Kostropetsch vor allem in zeitlicher Hinsicht. „Das Gute war, dass wir Sachen verteilt haben, so dass ich das zeitlich hinkriege.“ Ansonsten sieht er zwischen beiden Ämtern keinen großen Widerspruch. „Ich handle ja nicht gegen die Botschaft der Bibel. Im besten Falle tue ich niemandem weh.“ Zwar habe es vereinzelt auch kritische Stimmen gegeben, aber die meisten Leute würden sein Engagement mittragen. „Ich kann mich auf den Kopf stellen, die einen finden es gut, die anderen nicht.“

Karneval: Auch Witze über die Kirche sind erlaubt

Auch Witze über die Kirche seien im Lenzener Karneval weiterhin erlaubt. „Spaß darf man über alles machen, es darf nur nicht beleidigend werden.“ Da sei die Grenze des Humors erreicht. „Im Karneval sind ja auch kritische Töne erlaubt.“

Dennoch sei es für ihn ein Unterschied, ob er auf der Kanzel oder in der Bütt stehe: „Auch in der Kirche darf man auf jeden Fall fröhlich sein und gerne mal einen Scherz machen, wenn es passt.“ Aber beim Karneval gehe es eher darum, durch Spaß und Witze die Freude zu den Menschen zu bringen. Aber es gebe Verbindungen zwischen Kirche und Karneval: „Wenn es darum geht, den Menschen eine schöne Zeit zu geben oder Leute, die gerade nicht gut drauf sind, zum Lachen zu bringen oder ein Stück Freude geben zu können – da ist eine gewisse Parallele da.“ Mit Seelsorge könne man das aber nicht gleichsetzen.

Talar auf der Bütt – ein Tabu für den Karnevalspfarrer Gérôme Kostropetsch

Was für ihn auch tabu ist: Im Talar in der Bütt, einem fass ähnlichen Vortragspult für Redner auf einer Karnevalssitzung, aufzutreten und einen Kirchenvertreter darzustellen. „Karneval ist für mich eine private Sache.“ Irgendwo mischen sich beide Ämter dann aber doch – zum Beispiel, wenn Pfarrer Kostropetsch am Rosenmontag während des Umzugs durch Lenzen zu einer Andacht in die Kirche einlädt. „Da stehe ich im Talar vorne und habe die Narrenkappe nicht auf. Wenn wir die Kirche wieder verlassen, dann bin ich wieder der Präsident, ohne dass ich den Pastor ganz ablegen kann.“ Doch eines, so ist er überzeugt, werde ihm nicht passieren: dass er Bütt und Kanzel miteinander verwechselt.