Predigttext (in Auszügen)
(…) 29 Da kam Pilatus zu ihnen heraus und sprach: Was für eine Klage bringt ihr vor gegen diesen Menschen? 30 Sie antworteten und sprachen zu ihm: Wäre dieser nicht ein Übeltäter, wir hätten dir ihn nicht überantwortet. 31 Da sprach Pilatus zu ihnen: So nehmt ihr ihn und richtet ihn nach eurem Gesetz. Da sprachen die Juden zu ihm: Es ist uns nicht erlaubt, jemanden zu töten. 32 So sollte das Wort Jesu erfüllt werden, das er gesagt hatte, um anzuzeigen, welchen Todes er sterben würde. 33 Da ging Pilatus wieder hinein ins Prätorium und rief Jesus und sprach zu ihm: Bist du der Juden König? (…) 36 Jesus antwortete: Mein Reich ist nicht von dieser Welt. Wäre mein Reich von dieser Welt, meine Diener würden darum kämpfen, dass ich den Juden nicht überantwortet würde; aber nun ist mein Reich nicht von hier. 37 Da sprach Pilatus zu ihm: So bist du dennoch ein König? Jesus antwortete: Du sagst es: Ich bin ein König. Ich bin dazu geboren und in die Welt gekommen, dass ich die Wahrheit bezeuge. Wer aus der Wahrheit ist, der hört meine Stimme. 38 Spricht Pilatus zu ihm: Was ist Wahrheit? (…)
Ein nüchternes Protokoll. Wenn da nicht im Mittelpunkt der Begriff ‚König‘ stände. Fast befremdlich.
Da ist Pilatus: Einer, der Macht verliehen bekommen hat – vom Kaiser. Er ist wirklich Herr über Leben und Tod. Und er muss zugeben, dass er trotzdem machtlos dem gegenübersteht, was die Menschen von ihm wollen. Er wird zum Spielball von Interessen. Da hilft ihm auch der Trick mit Barrabas nicht weiter. Er hat Angst vor den Menschen, Angst vor seiner Verantwortung. Er lässt die Dinge laufen, weil er Angst hat, das Richtige zu tun und Menschen zu verärgern.
Und ihm gegenüber steht Jesus mit der Würde und dem Anspruch eines Königs, der das Geschehen im Griff hat. Vielleicht könnte er sich wie Pilatus mit ein bisschen Schläue und Unbestimmtheit rauswinden. Aber er bleibt bei seiner Linie, bei Gottes Linie. Er ist die Wahrheit und darum ist er ein König.
Da sind zwei mit Bedeutung. Der eine hat sie verliehen bekommen, wegen seiner Verdienste oder seines Herkommens, vielleicht auch mit Tricks. Der andere lebt seine Bedeutung. Er hat Ausstrahlung und Souveränität. Er tritt auf als wahrer König, der nicht taktiert, nicht um sein eigenes (politisches) Überleben kämpft, sondern der seine Rolle annimmt, auch wenn sie bitter ist.
Vielleicht hat Dietrich Bonhoeffer daran gedacht, als er „Von guten Mächten“ dichtete:
„Und reichst du uns den schweren Kelch, den bittern /des Leids, gefüllt bis an den höchsten Rand, / so nehmen wir ihn dankbar ohne Zittern / aus deiner guten und geliebten Hand.“
Ich muss zugeben: Mir steht Pilatus näher. Ich sehe auch gerne erst einmal Sachzwänge, persönliche Betroffenheit und versuche den Weg des geringsten Widerstands zu finden. Ich weiß oft ganz genau, was gut und richtig ist und suche dann Kompromisse zwischen meinem Wissen und meinen Wünschen. Wie Pilatus versuche ich der einen Wahrheit auszuweichen, sie zu relativieren und meine ganz persönliche Wahrheit, meinen Vorteil ins Spiel zu bringen. Ich möchte ja niemanden verärgern.
Es waren fromme Menschen, die aus frommen Absichten Jesus zu Pontius Pilatus gebracht haben, um ihn hinrichten zu lassen. Sie hatten Angst vor politischer Repression, vor einer unkalkulierbaren Zukunft. Da war es doch besser, diesen Einen zu opfern, als die Zukunft der ganzen Religionsgemeinschaft aufs Spiel zu setzen. Das gab es immer wieder in der Menschheitsgeschichte wie in der Kirchengeschichte. Es gibt einen analytischen Verstand, der sauber abwägt und dann den Weg definiert, den der Verstand vorgibt. Da kann es dann auch mal zu „Kollateralschäden“ kommen.
Jesus schließt keinen Kompromiss, der sein Leben retten könnte. Er folgt dem Willen Gottes. Darum denke ich auch an die Menschen, die mit ihrem Leben eingestanden sind für die Menschen und für die Wahrheit wie Paul Schneider oder Dietrich Bonhoeffer. Und muss gleichzeitig zugeben, dass ich nicht so bin. Und das liegt weniger an mangelnden Gelegenheiten.
Vielleicht muss ich öfter nachprüfen, ob mich nicht, wie die Pharisäer auch, fromme Absichten in die falsche Richtung treiben, weil ich nicht bereit bin, Gottes Willen wirklich wahrzunehmen. Vielleicht muss ich hinschauen wo ich bereit bin, Menschen zu opfern, Prinzipien zu opfern um des großen Ganzen willen.
An Jesus Christus kann ich erkennen, was ich Gott wert bin. Er hält stand, wo ich schwach bin. Er bleibt bei mir, wo ich eher zur Flucht neige. Er geht seinen Weg bis zum bitteren Ende. Er ist der Weg, die Wahrheit und das Leben, weil er keine faulen Kompromisse eingeht.