Es sind merkwürdige Zeiten. Manch einer sieht das Ende der Corona-Pandemie nahe, andere sind skeptischer. Fakt ist, viele Menschen hierzulande sind geimpft, es wird wieder mehr möglich: Konzert, Gottesdienst, Fußballstadion, Chor, Sport im Verein. Und dennoch liegt ein Schatten auf all dem. Trügt der Schein? So geben sich die einen forsch, die anderen reserviert. Und schon wird heiß diskutiert: Soll die nächste Sitzung endlich wieder in Präsenz stattfinden oder bleiben Videokonferenzen angesagt? Werden wieder fleißig Hände geschüttelt oder ist Begrüßung auf Abstand die erste Wahl? Das alles zeigt, wie sehr Corona den Alltag verändert hat. Und es stellt sich die Frage, welche dieser Veränderungen bleiben und welche wieder verschwinden.
Es ist Ironie des Schicksals, dass die Corona-Maßnahmen auch Positives hervorgebracht haben. Statt für ein kurzes Meeting stundenlang durch’s Land zu gurken, loggte man sich umweltfreundlich in Zoom-Konferenzen ein. Hygienemaßnahmen führten dazu, dass von deutlich weniger Erkältungen oder Magen-Darm-Beschwerden berichtet wurde. Und nicht wenige Beschäftigte stellten fest, dass es sich auch im Homeoffice gut arbeiten lässt. Werden solche Errungenschaften bald wieder über Bord geworfen? Das muss abgewogen werden.
„Zurück zur Normalität“ kann nicht das Motto sein, denn die Normalität hat sich verändert. Was sich aber nicht leugnen lässt: Der Mensch ist ein Herdentier und mag deshalb nicht auf soziale Kontakte verzichten. Hier hat ganz sicher die Evolution ihre Spuren hinterlassen. In der Gruppe fühlt sich der einzelne sicherer. Und darum lebt er auch heute in Freundeskreisen, Familien und Vereinen.
Im Christentum kommen womöglich noch zusätzliche Aspekte zum Tragen. So erzählt das Neue Testament vom Zusammenhalt der ersten christlichen Gemeinden: „Sie blieben aber beständig in der Apostellehre, in der Gemeinschaft, im Brotbrechen und im Gebet.“
Dazu kommt Jesu Zusage, dass er immer dabei ist, wenn sich zwei oder drei in seinem Namen treffen. Das passt nicht zu Abstand und Lockdown. Hier wird menschliche Nähe noch religiös untermauert. Das erklärt womöglich die besondere Not mancher Kirchengemeinden während der Pandemie. Paulus allerdings wusste schon damals, dass Gemeinschaft sich nicht immer in realen Treffen äußern muss. Sie besteht vor allem im gemeinsamen Glauben. Das kennen auch alle, die sich in der weltweiten Ökumene engagieren und deshalb nicht ständig treffen können.
Aber dennoch bleibt es unumstößlich: Der Mensch sucht den Kontakt. Chor und Handball geht nicht per Videokonferenz. Umfragen ergaben allerdings, dass sich mehr als die Hälfte der Deutschen auch künftig mit dem Händeschütteln zurückhalten wollen. Natürlich, die Liebsten will man umarmen, aber ansonsten geht auch der Ellbogencheck. Und wer wollte die Anzahl der Dienstreisen und Pendelkilometer tatsächlich wieder auf das Niveau von 2019 heben? Es gilt, ernsthaft abzuwägen und nicht nur dem eigenen Bauchgefühl zu folgen. Bloß nicht überstürzt und gedankenlos zurück in die Zukunft.