Frau Ulm, Frau Krausen, warum gibt es einen christlich-muslimischen Einschulungsgottesdienst in Rahlstedt?
Martina Ulm: Es hat mit der Realität vor Ort zu tun. Dort wohnen viele Muslime, und 1996 hat der Elternrat der Grundschule Kaminer Straße die Kirchengemeinde gebeten, einen solchen Gottesdienst zu entwickeln. In diesem Jahr feiern wir ihn das 22. Mal mit dieser Grundschule. Zwei weitere Schulen sind später dazugekommen.
Halima Krausen: Es hat auch mit der Kirche zu tun, denn die hat schon vorher Veranstaltungen mit unbegleiteten muslimischen Flüchtlingen gemacht.
Was nehmen die Kinder aus dem christlich-muslimischen Gottesdienst mit?
Krausen: Sie haben dann mehrfach gehört, dass es eine Gemeinsamkeit gibt und dass sie als Klassengemeinschaft zusammengehören.
Ulm: Für die Kinder ist das Interreligiöse ja eine Realität.
Wie gehen Sie jetzt mit Gottesdienstelementen um, die unterschiedlich wären? Mit Glaubensbekenntnis oder Gebeten zum Beispiel?
Krausen: Das Glaubensbekenntnis sprechen wir nicht. Die traditionellen Gebete – Fatiha und Vaterunser – schon, nacheinander. Und am Ende gibt es einen gemeinsamen interreligiösen Segen.
Ulm: Den sprechen wir beide zusammen, Arm in Arm – auch mit Schulleiter und Lehrern. Das finde ich ganz ausdrucksstark. Der Segen steht für das Miteinander und das Einende.
Welche Rolle sollte Religion in der Schule spielen?
Ulm: Ich finde das Konzept in Hamburg schon sehr gut, weil es viel um das Miteinander und das Kennenlernen der Religionen geht. Die Bedeutung des Religionsunterrichts insgesamt könnte vielleicht etwas größer sein.
Krausen: Es hängt viel von den Lehrern und ihrer Ausbildung ab. Es gibt Studenten, die mit Religion recht wenig am Hut gehabt haben und aus einem säkularen Umfeld kommen. Die werden auf einmal mit fünf Religionen konfrontiert und wissen nicht, wo ihre eigene Position sein könnte.
Wenn man in der eigenen Religion verwurzelt ist, kann man auch andere besser verstehen
Krausen: Es gibt eine Wechselwirkung. Ich kann besser mit den anderen umgehen, wenn ich mir selbst sicher bin. Wenn man keine festen Wurzeln hat, versucht man eher, sich an etwas anderem festzuhalten. Vieles von dem, was heute an Fanatismus kursiert, liegt an der Unkenntnis über die eigene Tradition und der Unerfahrenheit im Umgang mit den anderen.
Ist ein gemeinsamer Gottesdienst ein Baustein, um Fanatismus vorzubeugen?
Krausen: Na ja, ein kleiner.
Ulm: Es ist ein Schritt hin zu Toleranz und zu einem Miteinander. Damit man sich kennt und eine Idee voneinander hat.
Krausen: Ich war die erste muslimische Schülerin an meiner Schule und bin immer abwechselnd in den evangelischen oder katholischen Religionsunterricht gegangen. So habe ich Informationen aus erster Hand bekommen und habe schon als Teenager gemerkt, dass es abstruse Vorstellungen über die anderen gibt. Das ging so weit, dass ein evangelischer Mitschüler sagte, die Katholiken trinken in ihrem Gottesdienst echtes Blut.
Ulm: Nur wenn man sich begegnet, kann man sich kennenlernen. Nur so kann man Vorurteile abbauen. Und es ist mir wichtig, dass wir als Kirche auch den Auftrag haben, uns für das Miteinander der Religionen und den Dialog einzusetzen.
Das Interview führte Friederike Lübke.
Der Gottesdienst für die Grundschule Kaminer Straße beginnt am Dienstag, 4. September, um 10 Uhr in der Dietrich-Bonhoeffer-Kirche, Greifenberger Str. 56.
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Zum Segen reichen sie sich die Arme
Zur Einschulung feiern ABC-Schützen in Hamburg-Rahlstedt einen christlich-muslimischen Gottesdienst. Pastorin Martina Ulm und Imamin Halima Krausen leiten ihn gemeinsam. Im interreligiösen Interview sprechen die Theologinnen über traditionelle Gebete, das Verständnis für andere und Religion an Schulen.

Interreligiöses Interview: Imamim Halima Krausen und Pastorin Martina UlmFriederike Lübke