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Zeitung: Deutschland lehnt europäische Gentechnik-Regelung ab

Deutschland wird einer europäischen Neuregelung zur Kennzeichnung von Gentechnik am Montag im EU-Agrarrat nach jetzigem Stand nicht zustimmen. Das berichten die Zeitungen der Funke Mediengruppe unter Berufung auf das Bundeslandwirtschaftsministerium.

“Wichtig ist für mich, dass neben den Interessen der Wissenschaft auch die der Landwirtschaft, der Verbraucherinnen und Verbraucher sowie der Lebensmittelwirtschaft gewahrt bleiben”, sagte Minister Cem Özdemir (Grüne) den Zeitungen zur Begründung.

Ein Vorschlag der spanischen Ratspräsidentschaft zu den neuen Gen-Techniken (NGT) sieht vor, dass der größte Teil der NGT-Pflanzen künftig ohne Risikoprüfung und ohne Kennzeichnung der Endprodukte auf den Markt kommen kann. Damit könnten Verbraucher nicht mehr unterscheiden, ob die Lebensmittel mit oder ohne gentechnische Verfahren produziert wurden. Umweltverbände und Lebensmittelhändler wollen diese Neuregelung verhindern. Sie sehen ihre Existenz und die Kennzeichnung von Bioprodukten, die bewusst ohne Gentechnik hergestellt werden, in Gefahr.

Özdemir betonte, er wolle, dass weiterhin jeder für sich entscheiden könne, Produkte mit oder ohne Gentechnik zu nutzen. “Wer gentechnikfrei wirtschaften möchte, ob konventionell oder ökologisch, soll dies auch in Zukunft tun können. Dafür brauchen wir Regeln für die Koexistenz, damit ein funktionierender, milliardenschwerer Markt nicht zerstört wird.”

Zuvor hatte Bundesforschungsministerin Bettina Stark-Watzinger (FDP) Druck auf den grünen Koalitionspartner gemacht, einer geplanten EU-Regelung für gentechnische Züchtungen zuzustimmen. Der “Neuen Osnabrücker Zeitung” sagte die Ministerin: “Die jetzige Regelung ist völlig veraltet und wissenschaftlich überholt. Die Position der Wissenschaft ist daher genauso klar wie meine: Wir sollten unbedingt zustimmen.”

Es sei “bedauerlich, dass es andere Ministerien gibt, in denen die Wissenschaft offenbar keine Rolle spielt”, so die FDP-Politikerin. “Dabei brauchen wir doch klimarobustere Nutzpflanzen und dürfen uns bei dieser chancenreichen Zukunftstechnologie nicht abhängen lassen. Es sollte sich niemand von alten Ängsten leiten lassen”, forderte Stark-Watzinger.

Bei der klassischen Gentechnik werden fremde, außerhalb des Organismus veränderte Gene und Genkonstrukte in den Zellkern eingeführt. Dabei ist es dem Zufall überlassen, an welcher Stelle und wie häufig sich das gewünschte Gen in das Genom einfügt.

Bei den als Genome Editing bezeichneten Verfahren ist es Dank der sogenannten Genschere dagegen möglich, sehr gezielt kleine Veränderungen in vorhandenen Genen der Pflanzen auszulösen. Diese Veränderungen seien von natürlichen und in der konventionellen Züchtung genutzten Mutationen nicht unterscheidbar, unterstreichen Befürworter. Deshalb sei bei Erforschung und Nutzung von mit Genome Editing erzeugten Pflanzen kein erhöhtes Risiko für Mensch und Umwelt zu erwarten. Die EU-Kommission will einen Großteil der genom-editierten Züchtungen deregulieren.