Die immer weiter anwachsende Plastikflut hat verheerenden Folgen für Natur, Umwelt und die menschliche Gesundheit. Das zeigt eine eindrucksvolle Dokumentation im ZDF.
Für manche Menschen gibt es im Urlaub nichts Schöneres, als in einer bretonischen Strandbar zu sitzen und ein paar Austern zu schlürfen. Ein frisches Naturprodukt, das unmittelbar aus dem Meer vor ihnen kommt und obendrein noch gesund sein soll. Doch die Forschungen des Chemikers Michael Braungart könnten Gourmets den Appetit verderben. Er hat mit seinen Studenten bretonische Muscheln untersucht und darin bis zu 1.500 Plastikpartikel gefunden. In jedem einzelnen Exemplar. Mikroplastik findet sich nahezu überall auf dem Planeten, auch in der Atemluft, in die beispielsweise der Abrieb von Textilien als Mikrofasern gelangt.
Die Dokumentarfilmerin Isa Willinger begibt sich in “Plastic Fantastic” – am 13. Januar ab 0.05 Uhr im ZDF – auf eine Reise durch die Welt von Kunststoffen, die die Welt verändert haben. Der Einsatz der Produkte der sogenannten petrochemischen Industrie ist kaum zu überschauen. Trotz aller Kritik von Umweltschützern sieht alles danach aus, als würde die Produktion noch weiter ansteigen. Fachleute wie der Chef-Lobbyist der europäischen Plastik-Industrie, Ingemar Bühler, gehen von vier Prozent Wachstum pro Jahr aus. Zwar räumt auch Bühler Probleme mit der Entsorgung ein, beteuert aber, dass man dies in den Griff bekommen werde.
Ähnlich sieht dies der US-Amerikaner Joshua Baca, Vizepräsident der American Chemistry Council Plastic’s Division, der den Werkstoff über den grünen Klee preist. “Plastik ist besser als jedes andere Material”, behauptet er; und dass Kunststoffe im Kampf gegen den Hunger in der Welt unabdingbar seien. Auch die Umwelt profitiere letztlich davon. Das ist eine steile These, für deren Wahrheitsgehalt derzeit nicht viel spricht.
Kurz nach Bacas Statement sieht man, wie ein LKW eine riesige Ladung Plastiksäcke mit Müll in einen Fluss kippt, oder man begleitet die Ozeanografin Sarah-Jeanne Royer, die auf Hawaii Sand siebt und dabei unzählige Teile von Mikroplastik findet. Jede dritte Plastikverpackung lande im Ozean, erklärt sie, von wo aus der Kunststoff in die Nahrungskette gelangt. Die Folgen für die menschliche Gesundheit seien bislang kaum erforscht.
In Kenia kämpft derweil der Fotojournalist James Wakibia für ein Verbot von Plastikflaschen, die dort zu einem großen Teil in der Natur landen. Er sagt, dass die vermeintliche Wunderwaffe Recycling gänzlich stumpf ist. Weltweit werden lediglich neun Prozent des Plastikmülls wiederverwertet; selbst in Deutschland ist es trotz der gelben Tonne nur knapp ein Viertel. Dabei handelt es sich fast ausschließlich um Einwegflaschen. Der große Rest des Plastiks wandert in die Müllverbrennung.
Solche gigantischen Anlagen sind ein ebenso faszinierendes wie dankbares Motiv. “Plastic Fantastic” überzeugt generell nicht nur durch seinen Informationsgehalt und eine souveräne, vielfach kontrastreiche Montage, sondern auch durch eine aufwändige Bildgestaltung. Immer wieder gibt es beeindruckende Kamerafahrten entlang von Müllkippen oder Supermarktregalen mit endlosen Reihen von Produkten in Kunststoffverpackungen.
Bisweilen wird die Kamera auch in einem rollenden Auto platziert. In einer Kleinstadt in Louisiana fährt die Aktivistin Sharon Lavigne durch die Gemeinde und weiß nahezu bei jedem Haus zu berichten, wer in jüngster Zeit dort an Krebs erkrankt ist. Die Rate liegt dort 20 Prozent über dem US-Durchschnitt. Die Ursache ist für Lavigne unstrittig: das gigantische Chemiewerk in der Nähe des Ortes, dessen Betreiber in großem Stil weiter expandieren möchten.