BAD OEYNHAUSEN – Zur Aufmerksamkeit für benachteiligte Menschen hat Pfarrer Dierk Starnitzke aufgerufen. Der Vorstandssprecher der Diakonischen Stiftung Wittekindshof erklärte während eines Gedenkgottesdienstens für Opfer des NS-Euthanasieprogrammes: „Lasst uns entschieden dagegen kämpfen, wenn Menschen wegen einer Behinderung oder wegen ihrer Herkunft in ihrem Wert und ihrer Würde eingeschränkt werden.“
Anlass für den Gedenkgottesdienst der Kirchengemeinde Volmerdingsen-Wittekindshof, den der Vorstandssprecher zusammen mit Mitgliedern des Oberkurses der Diakonenschule Wittekindshof gestaltete, war der Abtransport von 958 Bewohnerinnen und Bewohner vor 75 Jahren. Damals kamen die grauen Busse täglich in den Wittekindshof, um Menschen zunächst in westfälische Einrichtungen und schließlich in die bekannten Tötungsanstalten zu verlegen. Von ihnen sind 358 nachweislich und weitere 55 Personen mit hoher Wahrscheinlichkeit den nationalsozialistischen Tötungsaktionen von Menschen mit Behinderung zum Opfer gefallen.
Es herrschte eine unmenschliche Logik
Starnitzke erinnerte an die wirtschaftliche Logik, mit der die nationalsozialistischen Krankenmordaktionen begründet wurden: der Staat müsse für sie hohe Kosten aufbringen, statt sie für die Interessen des „deutschen Volkes“ investieren zu können: „Darin zeigte sich die ganze Brutalität der damaligen Hitler-Regierung: Sie sprach den Menschen, die staatliche Hilfe brauchten, im Prinzip das Recht zum Leben ab und tötete möglichst viele von ihnen in den Lagern, um Geld und Aufwand zu sparen.“
Deutlich zog der Vorstandssprecher Parallelen zur Gegenwart. „Unser Staat ist heute zwar grundsätzlich bereit, allen Menschen zu helfen, die Unterstützung brauchen. Aber es gibt in unserem Land immer stärker eine Lebenshaltung, nach der jeder erst einmal selbst schauen soll, wie er zurechtkommt“, warnte Starnitzke.
Nach dem Gottesdienst legte die Gemeinde einen Kranz am Wittekindshofer Mahnmal für die Opfer der Gewalt nieder. Starnitzke forderte dazu auf, die Erinnerung an die im Nationalsozialismus getöteten Kinder, Frauen und Männer ebenso zu bewahren, wie an die Überlebenden, die Gewalt durch die Verlegungsaktionen, Essensentzug, medizinische Experimente oder Zwangssterilisationen erleiden mussten.
Ausdrücklich bezog der Vorstandssprecher auch die Menschen ein, die in der Nachkriegszeit körperliche und seelische Gewalt in Heimen und in der Psychiatrie erlebten. UK