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Worte wählen, Bilder entwickeln

Derzeit läuft eine Fortbildung in hypnosystemischer Seelsorge. Vor kurzem erschien dazu ein Buch von Pfarrer Jean-Otto Domanski. Es beschreibt detailliert, worum es bei dieser Methode geht, nämlich darum innere Haltungen zu verändern. Wie das gelingen kann und warum sie davon ­profitiert, erzählt Pfarrerin Janet Berchner, eine Teilnehmerin der Weiterbildung, im Gespräch mit Sibylle Sterzik.

Frau Berchner, was ist das ­Besondere an hypno­systemischer Seelsorge?

„Hypnosystemisch“ klingt geheimnisvoll, ist es aber nicht. „Systemisch“ bedeutet, dass man nicht ein Problem anschaut, sondern die ganze Person in ihren Zusammenhängen, auch mit dem, was sie im Inneren ausmacht. In jedem von uns gibt es verschiedene Teile. Ein Beispiel: Ein Teil einer Person plant gerade Aufgaben, die zu erledigen sind. Ganz sachlich. Ein anderer Teil sorgt sich um die Zukunft. Und wieder ein anderer Teil in dem gleichen Menschen freut sich auf das Fußballspiel am Abend. Es geht darum, dass diese und alle anderen Teile in uns sich nicht ­gegenseitig behindern, sondern gut miteinander in Kontakt sind, damit der ganze Mensch aus der Fülle seiner Gaben leben kann. 

Spielt Hypnose dabei eine Rolle?

Das Wörtchen „hypno“ hat etwas mit Hypnose zu tun. Nicht die, bei der jemand unfreiwillig zu etwas ­gebracht wird, zum Beispiel wie ein Vogel zu zwitschern, wenn man mit dem Finger schnippt. Es geht darum, wie wir uns selbst beeinflussen. Und wie man innere Haltungen, die einengen, in hilfreiche Einstellungen verändern kann. 

Im April 2020 begann eine ­Fortbildung für hypnosystemische Seelsorge, an der Sie teilnehmen. Wie verändert dieser Ansatz die Seelsorge?

Da kommt einiges zusammen: Eine Haltung der uneingeschränkten Wertschätzung bereitet den Boden für echte Veränderungen. Festes Vertrauen, dass ein Weg aus der Krise schon da ist und sich mit ein wenig Hilfestellung zeigen wird, ist unerschütterlich. Die Hoheit über den Prozess der Veränderung bleibt bei der jeweiligen Person. Die ­Vielfalt der Methoden ist extrem hilfreich: Manche regen dazu an, eine andere Perspektive einzunehmen und auszuprobieren, was sich verändert. Andere tragen dazu bei, ein Problemknäuel zu entwirren und zu ordnen. Und in allem kommt die Hypnosystemik sehr schnell und effektiv auf den Punkt. Echte Veränderung geschieht immer schon nach kurzer Zeit. 

Gab es für Sie ein besonderes ­persönliches Aha-Erlebnis während der ­Ausbildung? 

Ja. Ich wurde 2021 schwer krank. Mein Seelsorger hat mit mir Bilder wie in einem Traum entwickelt, die ausmalen, wie trotz OPs und Schmerzen alle Energie in die Heilung geht – etwa so wie kompetente Handwerker einen Schaden an einem Haus reparieren, so dass es sich danach wieder gut darin leben lässt. 

Ein Buch zu hypnosystemischer Seelsorge, das gerade erschienen ist, heißt „Worte, die wirken“. ­Welche Rolle spielen Worte und Sprache bei dieser Methode?

Wie wir über etwas reden, ist entscheidend für die Wirkung: Sage ich „Angst“, erinnert das an „Enge“ und fühlt sich auch so an – im Hals, in der Brust, beim Atmen. Sage ich aber „Vorsicht“, fühlt es sich anders an und hat einen Anklang an „nach vorne sehen“. Bewusste Wortwahl ist in jeder Krise hilfreich. 

Bilder, Metaphern und Geschichten in der Seelsorge – können Sie ein Beispiel nennen? 

Gerade die Geschichten der Bibel laden ein, hinein zu steigen und andere Perspektiven auszuprobieren. Erinnern sie sich vielleicht an die ­Geschichte vom verlorenen Sohn?  Was würden Sie an seiner Stelle tun oder denken? – Aus dieser Sicht lässt es sich leichter über Schuld reden und darüber, wie etwas wieder gut werden kann.

Sie arbeiten in der Trauerbegleitung. Wie können Sie das Gelernte dort anwenden?

Gerade wenn das Unfassbare wie Sterben, Tod und Trauer jemandem die Sprache verschlägt, bieten ­Methoden der hypnosystemischen Seelsorge Möglichkeiten, die aus der Erstarrung herausführen können. 

Ein Einstieg dafür könnte sein, die Person erzählen zu lassen, wie sich der Seelenschmerz genau ­anfühlt, wo er sich im Körper zeigt. Dann folge ich dem, was mein ­Gegenüber antwortet und bestärke alles, was als hilfreiche Unterstützung auftaucht. Hier verwende ich spezielle Fragetechniken, Visualisierungen oder Geschichten, die sich aus den Antworten entwickeln ­lassen. Wie genau das geht, hängt vom Gegenüber ab. Denn Trauer ist ein ganz individuelles Erleben. Das habe ich an mir selbst erfahren. Ich bin sehr dankbar, dass ich nun andere auf ihrem Weg begleiten kann.

Der nächste Ausbildungskurs startet am 21./22. April 2023 und erstreckt sich über 14 Kursblöcke jeweils freitags und samstags bis Oktober 2024. Mehr unter: www.hypnosystemischeseelsorge.de