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Wolodja wird wieder sehen können

Wolodja war für ein Jahr Gastvater von Pfarrerstochter Maika Fechner. Als sie erfuhr, dass Wolodja Sedelnikow am Grauen Star erkrankt war, entschloss sie sich, das Geld für eine Operation zu sammeln.

Von Susanne Gräbner

Vor 8 Jahren stand die Spandauer Schülerin und Pfarrerstochter Maika Fechner vor der Wahl: entweder ein Jahr in die USA oder nach Sibirien. Die Entscheidung fiel der 16-jährigen Gymnasiastin nicht schwer. Und ihre Wahl sollte Folgen haben: für sie sowie ihre Gastfamilie. Bei einer Tasse Kaffee erinnert sich die heute 22-jährige Russisch- und Geschichtsstudentin: „Alle wollten damals in die USA! Ich nicht!“ Es sei nichts Neues, nichts, was man für sich selbst entdecken könne. „Ich habe Russisch in der 9. und 10. Klasse gehabt. Der Unterricht war wirklich gut. Die Sprache gefiel mir und ich dachte, dass ich in Russland gut zurechtkommen würde.“Bei ihrer Gastfamilie in dem kleinen Dorf Sedelnikowo, 300 km nordöstlich von Omsk, angekommen, wurde sie eines Besseren belehrt. „Die Russen sprechen so schnell, dass ich zuerst gar nicht wusste, wo ein Wort aufhört und das nächste beginnt. Ende September 2006 kam sie zu den Selednikows, um Weihnachten der erste Durchbruch: „Plötzlich konnte ich an Gesprächen teilnehmen. Ein tolles Gefühl!“Maika lächelt bescheiden, aber ihre Augen leuchten. Sie sei so dankbar für all die Erfahrungen, die sie habe machen dürfen. Warum? Eigentlich hätte sie zu einer anderen Familie kommen sollen, doch diese sprang ab. Für Familie Selednikow war es eine ad-hoc-Entscheidung. Ein Haus mit drei kleinen Zimmern. Wo sollte da noch Platz sein? Der Sohn räumte sein Zimmer für Maika und schlief fortan im Wohnzimmer. „Meine Gastfamilie hat nichts und gab mir alles“, sagt sie ruhig und fügt hinzu: „Und sie behandelten mich wie ihre eigene Tochter.“ Eine Szene hat sich Maika tief eingeprägt. Eines Tages kamen Freunde der Familie zu Besuch. Sie hatten sich Jahre nicht gesehen. Fragende Blicke. Wer ist denn das neue Kind? „Da sagte Ludmilla, meine Gastmutter: ,Meins! Ich bin noch einmal schwanger geworden.‘“Auch zu Wolodja, ihrem Gastvater, hatte sie ein enges Verhältnis. Er munterte er sie auf, brachte sie mit seinen Späßen zum Lachen und machte ihre Mut zum Weitermachen. Eben ein Lehrer wie man ihn sich vorstellt! Er unterrichtete nicht nur an der Schule, auf die Maika ging, nein, er war auch Direktor. Obwohl erst Mitte 50, musste er seine Stelle jedoch aufgeben.Maika schweigt kurz, dann fährt sie fort: „Schon damals war er am Grauen Star erkrankt.“ Die Krankheit schritt weiter fort. Und dabei ist der Graue Star heilbar. Eine Operation genügt! Doch leisten konnte und kann sich der ehemalige Lehrer das nicht. Früher verdiente er zwischen 250 und 300 Euro im Monat. Heute leben er und seine Frau von etwa 100 Euro im Monat. Eine Pflichtversicherung gibt es in Russland nicht und die Privaten sind unbezahlbar. Maika, die noch immer in engem Kontakt zu ihren Gasteltern steht, wusste: „Er wird erblinden, wenn nichts getan wird!“ Wie Maika von Ludmilla erfuhr, zog sich Wolodja immer weiter zurück, ging kaum noch vor die Tür und verlor auch seinen Humor. Was tun? Denn was in Deutschland Routine ist, ist im fernen Sibirien unbezahlbar: eine Operation des Grauen Stars. Der Entschluss war schnell gefasst. Maika verfasste eine E-Mail mit einer Spendenbitte, die sie Anfang März an Verwandte, Freunde und Bekannte sandte. Auch an den Kirchenkreis Spandau wandte sie sich, wo ihre Mutter, Pfarrerin Gerlinde Schnell-Fechner, als Seelsorgerin im Krankenhaus Havelhöhe arbeitet. Er unterstützte die Hilfsaktion. Und es geschah, womit niemand gerechnet hätte. „Innerhalb kürzester Zeit hatten wir 5000 Euro zusammen. Davon kann sich Wolodja beide Augen operieren lassen und die Hin- und Rückfahrt zur Spezialklinik nach Nowosibirsk bezahlen. Wenn ich das jetzt so erzähle, bekomme ich eine Gänsehaut“, sagt Maika. Die Operation soll in diesem Sommer stattfinden. „Es gibt so viele Menschen mit offenem Herzen und großer Hilfsbereitschaft. Dadurch ist es möglich, einem Menschen in Not zu helfen und Zeichen der Freundschaft zu setzen. Mein sibirischer Gastpapa wird bald wieder sehen können und seine Lebensfreude zurückgewinnen. Ich bin allen unendlich dankbar, die mein Projekt unterstützt haben“, fügt Maika lächelnd hinzu.Infos: Maika-in-sibirien@web.de Maika Fechner berichtet auch in (Gemeinden über ihre Erfahrungen in Sibirien