Viele gehen achtlos an ihnen vorbei, andere betrachten sie mit Unbehagen: Kirchliche Gedenkorte für die Kriegstoten sind ein schwieriges Kapitel für Gemeinden. Manche sind mit ihrem schwülstigen Kitsch so aufdringlich, dass man sie am liebsten auf den Dachboden verbannen würde; andere wiederum sind so versteckt, dass die Namen der Opfer kaum je wahrgenommen werden.
Was tun mit diesem ganz speziellen Gedenken an die Toten der vergangenen Kriege? Das Evangelische Erwachsenenbildungswerk hat jetzt eine Broschüre herausgegeben, die den Zugang dazu erleichtern soll. Sie bietet historische Hintergründe und hilft dabei, sich den Gedenkorten zu nähern und einen angemessenen Umgang damit zu finden.
Die Tradition der kirchlichen Gedenkorte für Gefallene ist relativ jung. Am Anfang stand der Wunsch des preußischen Königs Friedrich Wilhelms III.: Es „soll für alle, die auf dem Bette der Ehre starben, in jeder Kirche eine Tafel auf Kosten der Gemeinde errichtet werden“. Mit dieser Verordnung vom 5. Mai 1813 begann ein Brauch, der sich bis in die Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg durchhielt: die Einrichtung von Denkmälern in und an evangelischen Kirchen.
Mancherorts haben sich die schlichten, auf Holz gemalten Tafeln aus der Anfangszeit mit den Namen der Gefallenen und dem Hinweis „für König und Vaterland“ noch erhalten. Bibelzitate oder ein Bezug auf Gott gab es dabei noch nicht.
Das änderte sich im Laufe des 19. Jahrhunderts: Nach den Einigungskriegen der 1860er Jahre und dem deutsch-französischen Krieg 1870/71 heißt es plötzlich: „Mit Gott für Kaiser und Reich“. Und noch später, in den Jahren nach dem Ersten Weltkrieg, sogar mit einem Bibelzitat: „Der Herr ist der rechte Kriegesmann.“
„Wann genau es zu dieser Umdeutung gekommen ist, haben wir nicht herausfinden können“, erklärt Gerald Wagner, der als Pfarrer und Kunsthistoriker mit anderen Fachleuten zusammen die Broschüre erstellt hat. „Aber es ist auffällig, wie schlicht die Formen zu Anfang noch waren, während später etwa mit dem Jesuswort ,Niemand hat größere Liebe, als wer sein Leben gibt für seine Freunde‘ der Tod der Soldaten mit dem Opfertod Jesu gleichgesetzt wurde.“
Das gilt auch für die künstlerische Gestaltung: Neben der einfachen Auflistung von Namen entstanden vor allem in den 20er Jahren des 20. Jahrhunderts aufwändige bildhafte Darstellungen. Deren symbolische Aussagen erscheinen heute häufig zweifelhaft: So zeigt ein Gemälde in der Christuskirche in Gelsenkirchen den Reichskanzler Bismarck als Hauptmann unter dem Kreuz, quasi direkt am Heilsgeschehen beteiligt.
Aber nicht immer findet sich solch überbordende Heldenverehrung und Idealisierung von Tod und Gewalt: Die expressionistischen Kirchenfenster des Künstlers Karl Muggly in der Bielefelder Jakobuskirche etwa stellen die Trauer um die Opfer die Krieges in den Vordergrund – eine weinende Frau mit einem Kind im Arm und ein erschöpfter Mann suchen hier in Jesu Armen Zuflucht.
Nach 1945 wurde die Tradition des Gedenkens in Kirchen fortgesetzt, jetzt jedoch wieder in schlichterer Form. Aus dieser Zeit stammen etwa viele Gedenkbücher, die die Namen der Gefallenen auflisten. Als Ort des Gedenkens wurde gerne die Turmhalle im Eingang der Kirche gewählt. In späterer Zeit, als das Bewusstsein für die zerstörerische Gewalt der vergangenen Kriege wuchs, wurden die Listen manchmal ergänzt – zum Beispiel um die Gruppe feindlicher Soldaten oder die der zivilen Opfer.
Hat man erst einmal angefangen, die Denkmäler wahrzunehmen, sind viele interessante Beobachtungen und Zugänge möglich. Die Broschüre des Erwachsenenbildungswerkes bietet dazu Hilfen, etwa mit den Fragen: Wo befindet sich das Denkmal, wie werden die Namen präsentiert, welche Symbole wurden verwendet und wer ließ es errichten? „Es lohnt sich, genau hinzusehen“, sagt Gerald Wagner. „Dann sieht man: Es gibt mehr Möglichkeiten, mit diesen Orten umzugehen, als man denkt.“
Das reicht von einem schlichten Zettel neben der Gedenktafel mit der Aufschrift „Krieg soll nach Gottes Willen nicht sein“ über künstlerische Installationen, die die Denkmäler einbeziehen, bis hin zu einer Verlegung des Ortes innerhalb des Kirchraumes. „Wenn gar nichts anderes vorstellbar ist, kann man so ein Denkmal auch an ein Archiv oder Museum geben“, sagt Ulrich Althöfer, Kirchenhistoriker im westfälischen Landeskirchenamt und Mitverfasser der Broschüre. „Das ist jedenfalls besser, als die Tafeln auf dem Dachboden verstauben zu lassen.“
Übrigens: Das Wort „Frieden“ taucht erst nach 1945 häufiger auf Inschriften auf. Immerhin.
☐ Die Broschüre „So viele Namen … Zum Umgang mit Gedenkorten für Kriegstote in Kirchen“ kann kostenlos bestellt werden: Telefon (02 31) 54 09-10 oder E-Mail info@ebwwest.de.