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Wo Luther noch katholisch war

Das Erfurter Augustinerkloster, in das Martin Luther mit 21 Jahren eintrat, war für ihn ein Ort geistlichen und geistigen Ringens. Jetzt soll es zum Unesco-Welterbe werden

Männlich, ledig, 21 Jahre jung und auf der Suche nach Gott: Bei seinem Eintritt in das Erfurter Augustinerkloster im Juli 1505 war der spätere Reformator Martin Luther (1483-1546) noch katholisch. Hier hat er Theologie studiert, hier ist er 1507 zum Priester geweiht worden. Die entscheidenden geistigen Impulse für seine spätere Kritik an der Kirche soll der Mönch jedenfalls auch im Kloster bekommen haben, vermuten Lutherforscher. Der Ort, an dem Geschichte geschrieben wurde, soll jetzt Unesco-Weltkulturerbe werden. Sollte die Unesco dem Antrag zustimmen, könnte das heute evangelische Erfurter Kloster ab 2017 Teil von insgesamt 18 „Luthergedenkstätten in Mitteldeutschland“ werden – pünktlich zu den 500-Jahr-Feiern zum Reformationsgedenken.

Bis heute hat sich das Kloster sein mittelalterliches Erscheinungsbild weitgehend bewahrt. Das Areal ist noch immer zum Teil von der alten Klostermauer umschlossen. Es gibt den Kreuzgang, den Klostergarten, die ehemalige Klausur – vieles weist noch auf die Welt der Vorreformation hin. In der Augustinerkirche sind Teile des Altars erhalten, an dem Luther seine erste Messe las. Ein buntes Bleiglasfenster, das „Löwen-Papageienfenster“, das Luther bei seinen Gebeten täglich sah, gab ihm Inspiration für die Lutherrose, die er später als Familienvater als Wappen nutzte.
Ab 1277 wurde die Anlage durch die Augustiner-Eremiten, einen Bettelorden, in gotischen Formen erbaut. In der Reformationszeit ging sie in den Besitz der evangelischen Kirche über. Heute ist das Erfurter Augustinerkloster ein evangelisches Tagungs- und Begegnungszentrum von überregionalem Rang.
Und wie kam es zum Eintritt von Luther ins Kloster? Eigentlich studierte der junge Mann auf Wunsch seines Vaters Jura in Erfurt. Auf der Rückreise vom Elternhaus nach Erfurt zu den Studentenfreunden soll er von einem heftigen Gewitter überrascht worden sein. Aus Angst schrie er: „Oh, heilige Anna hilf. Ich will ein Mönch werden.“ Prompt stand er wenige Wochen später auf der Schwelle des Klosters und wollte seinen Schwur in die Tat umsetzen.
Dafür suchte er sich einen Orden aus, der einen streng geregelten Tagesablauf hatte. Um zwei Uhr früh begannen die ersten Stundengebete bis zum Kompletgebet, das gegen 21 Uhr endete. Einfach, wie es das Blitz-Gelöbnis zunächst nahelegt, hat Luther es sich auf dem Weg zum Priestertum in der Ordensgemeinschaft des heiligen Augustinus also nicht gemacht. Das gestand ihm auch ein Nachfolger seines Gegners zu, den Luther selbst noch zeitweise als den „Antichrist“ bezeichnet hatte: Papst Benedikt XIV. kam 2011 auf Einladung der Evangelischen Kirche in Deutschland zu einem ökumenischen Treffen in das Kloster.
„Was ihn umtrieb, war die Frage nach Gott, die die tiefe Leidenschaft und Triebfeder seines Lebens und seines ganzen Weges gewesen ist“, erklärte der Papst bei dem Treffen mit protestantischen Spitzenvertretern. Und er setzte hinzu: „Theologie war für Luther keine akademische Angelegenheit, sondern das Ringen um sich selbst, und dies wiederum war ein Ringen um Gott und mit Gott.“