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Wo Bibel-Verse gemalt werden

“Und der Herr sprach zu Abram: Geh aus deinem Vaterland…” Zu diesem Bibel-Vers malen Teilnehmer eines Kurses ihr eigenes Bild – und wählen alle gleiche Farben für den Segen.

Pinsel und viele Farbflaschen stehen im Gemeindehaus bereit
Pinsel und viele Farbflaschen stehen im Gemeindehaus bereitFriederike Lübke

Hamburg. Die Farben stehen schon bereit. Große weiße Blätter kleben mit Malerkrepp auf den Tischen. Noch ist das Papier weiß und leer, aber das wird sich bald ändern. Vier ältere Damen und ein junger Mann, die hier nur mit Vornamen genannt werden sollen, um den vertraulichen Rahmen des Seminars nicht zu stören, sind an diesem Abend in das Gemeindehaus von St. Gabriel in Hamburg-Volksdorf gekommen, um sich beim Malen mit einem Bibeltext auseinanderzusetzen. 
Seit etwas zweieinhalb Jahren bietet Gentzsch, Pastorin in Volksdorf, den Kurs zum Biblischen Malen an, alle zwei Monate findet er statt. Malen ist wie das Singen und Spielen eine ursprüngliche menschliche Ausdrucksform, hat Gentzsch in der Erklärung zu ihrem Kurs geschrieben. Man müsse weder ein Profi sein, noch etwas leisten. Das Malen soll ein Weg sein, sich kreativer und intuitiver mit einem Text auseinanderzusetzen. 

Jeder erläutert sein Bild

Die Bibelstelle für diesen Abend ist 1. Mose 12, 1-4: „Und der Herr sprach zu Abram: Geh aus deinem Vaterland… Und ich will dich zum großen Volk machen und will dich segnen und dir einen großen Namen machen, und du sollst ein Segen sein.“ Nachdem die Teilnehmer den Text zweimal gelesen haben, geht es los. „Es ist gut, gleich zu starten und nicht zu lange nachzudenken“, sagt Gentzsch. 
Grundiert wird mit Kleister, dann werden die Farben aufgetragen, entweder mit einem Schwämmchen oder direkt mit der Hand. Nach und nach versinken alle in die Aufgabe. Es ist still bis auf das leise Wischen beim Auftragen der Farben. Barbara setzt zarte Farben auf das Papier. Bei Helga leuchtet schon ein kräftiges Orange vom Blatt. Cornelia Gentzsch hält sich am Rand. Wenn jemand nicht weiterkommt, stellt sie Fragen zum Malprozess und gibt Tipps. 
Nach einer Stunde sind alle fertig, waschen die Farb- und Kleisterschälchen aus und legen die noch feucht-welligen Bilder in die Mitte, wo man sie betrachten kann Dann setzt sich die Gruppe davor, und jeder darf erklären, was er sich bei seinem Bild gedacht hat.

Lichtgestalt in der Mitte

Bei Johanna bricht Gottes Segen wie ein Fluss aus dem oberen Bildrand. Bei Helga schreitet Abraham als eine Lichtgestalt durch die Bildmitte. Ingrid hat die vielen Nachkommen Abrahams schon angedeutet, aber Abraham selbst kann sie noch nicht sehen. Tom hat eine Art dichten schwarzen Vorhang ins Bild gesetzt. 
Obwohl die Bilder sehr unterschiedlich aussehen, gibt es doch Motive, die sich wiederholen, ohne dass sich die Teilnehmer abgesprochen haben. Einige Bilder sind in zwei Hälften geteilt, auf der einen Seite ist das Vaterland, auf der anderen das verheißene Land. Das neue Land ist häufig grün, Segen ist Gelb oder golden. 

Persönliche Bilder

Obwohl viele in der Anfangsrunde gesagt haben, dass sie das Wort „Segen“ anspricht, hat sich auf den Bildern viel stärker Abrahams Aufbruch durchgesetzt. Auch das „Vaterland“ hat viele angesprochen. Für die älteren Frauen, die noch durch den Krieg geprägt wurden, hat es eine wichtige Bedeutung. Der Text, den sie vorher nur als die Geschichte Abrahams gehört haben, knüpft nun an eigene Erlebnisse an. Das Gespräch wird persönlich. 
Sie überlegen, ob eine „Heimat“ immer wichtiger wird, je älter man wird. Auch der „große Name“, den Gott Abraham geben will, gibt der Gruppe Rätsel auf. Ist damit Ruhm gemeint? Oder die vielen Nachkommen? 
Cornelia Gentzsch fotografiert alle Bilder, um sie sich noch einmal anzusehen, wenn sie das nächste Mal über diesen Text predigen wird.
Manchmal, erzählen die Frauen, wenn sie ihre alten Bilder nach Wochen wieder betrachten, fällt ihnen etwas ganz Neues auf. 
Info
Der nächste Termin zum „Freien Malen zu biblischen Texten“ findet am Freitag, 13. Juli, um 18 Uhr im Gemeindehaus von St. Gabriel, Sorenremen 16, statt. Pro Abend können bis zu zehn Personen teilnehmen. Anmelden kann man sich per E-Mail bei Pastorin Gentzsch unter c.gentzsch@kirche-in-volksdorf.de unter Tel. 040 / 603 52 86 oder im Gemeindebüro, Tel: 040 / 603 11 96.