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«Witbooi-Bibel» und Peitsche werden noch im Februar übergeben

Die geplante Rückgabe von zwei kolonialen Kulturgütern an Namibia hat für Streit gesorgt. Eine Stammesältesten-Vereinigung fühlte sich zurückgesetzt. Das baden-württembergische Verfassungsgericht verweist die Klärung des Konflikts aber nach Namibia.

Stuttgart (epd). Die historische "Witbooi-Bibel" darf an den Staat Namibia zurückgeben werden. Der baden-württembergische Verfassungsgerichtshof wies am Donnerstag in Stuttgart einen Antrag der Vereinigung der Nama-Stammesältesten (NTLA) zurück. Diese hatten die Übergabe der geraubten Familienbibel und der Viehpeitsche des namibischen Nationalhelden Hendrik Witbooi verhindern wollen. (AZ.:1 VB 14/19). Laut baden-württembergischen Wissenschaftsministerium erfolgt die Übergabe nun einen Tag früher als zunächst geplant am 28. Februar in Gibeon.

"Es ist weder dargelegt noch ersichtlich, in welchen Rechten die Stammesältesten durch die bevorstehende Rückgabe an die namibische Regierung verletzt sein sollten", urteilten die Richter. Es spreche viel dafür, dass es sich um einen Rechtsstreit handle, der innerhalb Namibias zu klären sein dürfte.

Stammesälteste beantragten einstweilige Anordnung

Die Nama-Stammesältesten hatten am Montag den Erlass einer einstweiligen Anordnung beantragt, weil sie der Ansicht sind, dass die Objekte ihrem Volk zustehen. Zudem fühlten sie sich bei den Verhandlungen der namibischen Regierung mit Deutschland nicht ausreichend eingebunden.

Das baden-württembergische Wissenschaftsministerium will nach Rücksprache mit der namibischen Regierung an der Übergabe festhalten. "Innerhalb der Nama gibt es bekanntermaßen unterschiedliche Positionen", heißt es dazu in einer Mitteilung. Die Familie Witbooi werde beispielsweise nicht von ihnen vertreten.

Erst vor wenigen Tagen habe eine Sprecherin der Nama-Opfervereinigung Nama Genocide Technical Committee, die an den Verhandlungen mit der Bundesregierung zur Aussöhnung beteiligt sei, schriftlich um die Rückgabe an den namibischen Staat gebeten. Das afrikanische Land selbst habe seit 2013 nach einer Übergabe des in der Nama-Sprache verfassten Neuen Testamentes gefragt.

Schenkung im Jahr 1902

Beide Objekte waren im Jahr 1902 als Schenkung ins Stuttgarter Linden-Museum gekommen. Namibia war von 1884 bis 1915 die Kolonie Deutsch-Südwestafrika. Hendrik Witbooi war während der deutschen Kolonialzeit "Kaptein" und einer der wichtigsten Anführer der Nama-Gruppen. Die Familienbibel war sehr wahrscheinlich im Jahr 1893 bei einem Angriff auf den Hauptsitz Witboois von deutschen Kolonialtruppen erbeutet worden. Bei dem Angriff gingen die Kolonialtruppen mit größter Brutalität vor, auch viele Frauen und Kinder wurden getötet.

Die Übergabe wird den Angaben zufolge in Gibeon im Süden Namibias stattfinden, dem Stammsitz der Witbooi und Siedlungsgebiet vieler Nama-Gruppen. Die baden-württembergische Wissenschaftsministerin Theresia Bauer (Grüne) werde die Kulturgüter an den namibischen Präsidenten Hage Geingob überreichen. Die Bibel und die Peitsche sollen nach Auskunft der namibischen Stellen weiterhin öffentlich zugänglich bleiben. Die Bibel komme zunächst ins Nationalarchiv, wo auch Briefe Hendrik Witboois aufbewahrt werden, die Peitsche ins Nationalmuseum.