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Wissenschaftler: Antisemitismus vereint Menschen in ihrem Hass

Antisemitismus ist nach den Worten des Wissenschaftlers Lennard Schmidt nicht auf Anhänger einer bestimmten politischen Richtung beschränkt. Vielmehr sei es „eine Art Klebstoff“, die alle möglichen Gruppen in ihrem Hass auf alles, was jüdisch sei, vereine, sagte der wissenschaftliche Mitarbeiter der Initiative Interdisziplinäre Antisemitismusforschung der Universität Trier am Donnerstag bei der Fachtagung „Erinnern und Gedenken über Grenzen hinweg“. Zu der Tagung hatte der rheinland-pfälzische Landtagspräsident Hendrik Hering als Präsident des Interregionalen Parlamentarierrates nach Trier eingeladen.

Weltanschauungen hätten immer viel mit Emotionen zu tun, betonte Schmidt, der Geschichte, Germanistik und Bildungswissenschaften studierte. Menschen sehnten sich nach einer widerspruchsfreien Welt und Antisemitismus könne für manche ein Scharnier sein. Alles, was diejenigen nicht verstünden, könnten sie auf eine Elite von Verschwörern abschieben, sie seien selbst nicht verantwortlich und hätten somit einen „emotionalen Ablageplatz“, sagte er. Dementsprechend könne man diese Menschen auch nicht mit Fakten erreichen.

Als Vergleich zog er die sogenannte Incel-Bewegung heran, deren Namen sich aus den englischen Begriffen „involuntary“ („unfreiwillig“) und „celibate“ („sexuelle Enthaltsamkeit“) zusammensetzt. Wer von der Freundin verlassen werde, schiebe die Schuld dem globalen Feminismus zu und müsse sich so nicht mit eigenen Fehlern auseinandersetzen, unterstrich Schmidt.

Mit Blick auf den Umgang mit Antisemitismus bemängelte der Wissenschaftler, dass diese Einstellung oft nicht ernst genommen werde. Wenn sich beispielsweise eine Schule bei ihm melde, dass sich jüdische Schülerinnen und Schüler nicht sicher fühlten, weil ihre Mitschüler von genozidalen Ideen berichteten, brauche es keine Prävention mehr, sondern Schutzmaßnahmen. Prävention sei zwar sehr wichtig, Repression aber genauso, betonte Schmidt. Nicht jeder Antisemit könne von einem Bildungsprogramm abgeholt werden. Schutz jüdischen Lebens bedeute auch, Antisemiten aus dem Verkehr zu ziehen.