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Willkommen im Dschungelcamp

Das RTL-Erfolgsformat „Ich bin ein Star – holt mich hier raus“ ist in vollem Gange. Wir sehen Ex-Stars in ihrem Elend. (…) Von Veit Hoffmann

Foto: epd

Das RTL-Erfolgsformat „Ich bin ein Star – holt mich hier raus“ ist in vollem Gange. Wir sehen Ex-Stars in ihrem Elend.

Mensch wie wir:Prof. Dr. Walter Freiwald leidet an Selbstüberschätzung. „Psychologisch geschult“ wuppt er aber inzwischen die Sendung. Ein paar Anlaufschwierigkeiten sind mental längst überwunden. So wurde er dabei erwischt, wie er einen Schlüppi seiner Frau ins Camp schmuggeln wollte. „Zum dran riechen“, wenn das Heimweh ihn überkommt. Schon klar, Walter. Außerdem wurde er arg von einer Qualle „gebissen“. Danach war er nicht gut drauf. Als er anschließend mit dem Kopf gegen die Gummidichtung am Hubschrauber knallte, war er überhaupt nicht mehr gut drauf. Er pöbelte was das Zeug hielt. Inzwischen hat er aber ganz tapfer pürierte Kakerlaken, Augäpfel und Kotzfrucht-Cocktail geschluckt. Er möchte Dschungelkönig werden, das erfordert Einsatz. „Wir sind alle Primaten und natürlich wird da gekämpft“, verkündete er. Ach ja, er wäre auch fast Bundespräsident geworden. Beworben hat er sich. Auf Facebook bestätigte SPD-Generalsekretärin Jasmin Fahimi seine Bewerbung im Jahr 2010. Doch, so schrieb sie, hätte der Aufenthalt im Dschungelcamp die Protokollabteilung des Bundespräsidialamtes sowie die Küche von Schloss Bellevue vor zu große Herausforderungen gestellt. Jetzt hat Walter einen Gang runter geschaltet. Er könnte sich vorstellen Günter Jauch´s Show „Wer wird Millionär“ zu übernehmen.

Die Tochter von Roberto Blanco chillt inzwischen in ihrer Hängematte und steht innerlich vor einer verschlossenen Tür. Sie mag den Schlüssel einfach nicht finden obgleich er direkt neben ihr liegt. Sie erzählt lieber was sie nicht möchte: Tochter von Roberto Blanco sein. Doch wer dann? Wir werden es nicht mehr erfahren. Die Zuschauer haben sie aus ihrer Hängematte gewählt. Sie musste das Camp verlassen.

Der über und über tätowierte „Beischlaffachwirt“ Aurelio ist ein echt wilder Italiener, mit beeindruckenden Muskelpaketen. Er erinnert ein wenig an Thierry Lhermitte, wie er im Film die Strandflitzer bei der wöchentlichen Ankunft der Sommerurlauberinnen aus seiner Hütte kommt. Aurelio legte einen guten Start hin. Mit Schafshoden im Mund tanzte er Limbo und brachte so sechs Sterne nach hause – ins Camp. Inzwischen chillt er aber auch nur noch. Beteiligt sich lustlos an den „intellektuell eher unaufdringlichen“ Gesprächen im Camp. Ein wenig Macho lässt er dennoch heraushängen: Für 20 000 € hätte er nicht eine „Arschbacke“ ins Camp bewegt. Gut zu wissen.

Maren liegt nachdenklich auf ihrer Matte und trauert ihrer Vergangenheit nach. Gerne hätte sie ein eigenes Kind gehabt, doch jetzt ist es zu spät. In Indien möchte sie sich keines kaufen. Das fände sie nicht gut. Gut so, Maren! Ansonsten leidet sie an Brechmigräne, wie sie erzählt. Dienstag allerdings schaufelte sie selbstbewußt einen gebratenen Krokopenis und holte fünf Sterne für das Team. Na bitte. Natürlich ist sie sauer auf den „psychologisch geschulten“ Walter, der sie vor einem Millionenpublikum bloßstellt und beschämt. „Maren hat da eine Bombe ins Klo gelegt, Leute ich sage euch …“.

In der Jugendetage läuft es auch normal. Küken Angelina weint in ihr Kuschelkissen, hat Heimweh und will weg. Außerdem hat sie so viel falsch gemacht in ihrem langen Leben. Sie ist echt fertig und erledigt von dem „ganzen Stress“. So hatte sie sich das nicht vorgestellt. Sie wollte eigentlich Abenteuer Wildnis mit Zentralheizung und Dusche. Sie wählte sich selbst raus. Tanja hingegen findet alles ziemlich cool. Doch auch sie muss noch im Leben ankommen. Sie könnte sich nicht vorstellen als Krankenschwester oder Bauarbeiter zu arbeiten. Bei allem Respekt, „ … klar, dass wir mehr verdienen, so mit TV-Formaten. Wir machen Show, verstehste?“ Patsch, das saß bei allen Krankenschwestern, Verkäuferinnen und Bauarbeitern. Konsens unter den Diskussionsteilnehmern ist, dass keiner für 20 000 € in zwei Wochen arbeiten würde. Grundgütiger!

Iffi, die aus dem Zirkusleben stammt, kämpft mit ihrem Gewicht. Das kann lebensgefährlich sein! Anfangs hatte sie mit ihrem Gewicht geschummelt und beim Fallschirmsprung aus dem Hubschrauber wunderte sich der Mann, dem sie auf den Bauch geschnallt war, weshalb die Erde schneller kam als geplant.

Keine Sterne, kein Essen für die Bewohner. Iffi holte einen von zehn Sternen. Auch eine Art Diät. Als sie erfolglos ins Camp zurückkehrte und von ihrer misslungenen Prüfung erzählte, reagierte der „Beischlaffachwirt“ mit einer verächtlichen comme-ci-comme-ca-Geste. Iffis Akku schien auf dem letzten Balken zu blinken.

Seien wir ehrlich zu uns selbst:Sind wir nicht alle in einem Dschungelcamp?