Artikel teilen

Wieder Abschied vom Gottesdienst?

Konsequenzen des Beschlusses der Bund-Länder-Konferenz für die Kirchen

Von Sibylle Sterzik

„Ostern ohne öffentliche Gottesdienste – das kommt vermutlich zum ersten Mal vor in der Kirchengeschichte. Doch muss das sein? Innerhalb der Kirchen mehren sich die Stimmen, die das kritisch sehen. Getränkemärkte sind systemrelevant, Seelsorge nicht?“ So titelte der Bayerische Rundfunk auf seiner Website im April 2020. Gemeinsame Gottesdienste und Gebete in Kirchen ­blieben verboten. Stehen wir jetzt in diesem Jahr vor der gleichen Situation? 

Wegen steigender Infektionszahlen wollen Bund und Länder die Ostertage nutzen, um durch eine weitgehende Reduzierung aller Kontakte das exponentielle Wachstum der dritten Welle zu stoppen. Deshalb sollen der 1. April (Gründonnerstag) und der 3. April (Samstag) zusätzlich einmalig als Ruhetage gelten. So gab es die Bund-Länder-Konferenz am Dienstagmorgen bekannt. Konkret heißt das, dass auch Gründonnerstag wie ein Sonn- und Feiertag behandelt wird. Ebenso bleiben am Karsamstag alle Läden zu, nur Supermärkte dürfen an diesem Tag, dem 3. April, öffnen. 

Appell: Bleibt zu Hause!

Die sogenannte „Erweiterte Ruhezeit zu Ostern“ ist mit weit­gehenden Kontaktbeschränkungen sowie einem Ansammlungsverbot vom 1. bis 5. April verbunden. Es gilt das Prinzip #WirBleibenZuHause. „Private Zusammenkünfte sind in dieser Zeit im Kreis der Angehörigen des eigenen Hausstandes und mit einem weiteren Haushalt möglich, jedoch auf maximal fünf Personen beschränkt“, heißt es in dem Beschluss. 

Was aber bedeutet das Motto „Wir bleiben zu Hause“ für die Gottesdienste in der Karwoche und zu Ostern? „Ansammlungen im öffentlichen Raum werden grundsätzlich untersagt.“ Dort, wo Lokale draußen bereits geöffnet haben, müssen diese während der fünf Tage schließen. Osterspaziergänge also ohne Hasenbraten beim Gastwirt. Wenn alles schließt, dürfen dann Kirchen offen bleiben? Das lässt sich bei Redaktionsschluss noch nicht mit Sicherheit sagen. Dazu werden in den nächsten Tagen Gespräche auf Bundes- und Länderebene geführt. Im Beschluss  heißt es dazu: „Bund und Länder werden auf die Religionsgemeinschaften zugehen, mit der Bitte, ­religiöse Versammlungen in dieser Zeit nur virtuell durchzuführen.“

Also Gottesdienststopp Ostern 2.0? Vorsichtige Prognose: ja und nein. Viele Gemeinden könnten auf bereits entwickelte digitale Formen zurückgreifen, sie streamen Gottesdienste oder verteilen mit der Ostertüte am Kirchhofzaun Lesegottesdienste oder Liturgie für zu Hause.  

Bitter dürfte es für Gemeinden sein, die ihre Gottesdienste gerade wieder von der Sonntagsöffnung zum Stillen Gebet auf Präsenzgottesdienste umgestellt haben. Sie müssen nun überlegen, ob sie in der Karwoche und zu Ostern wieder ein stilles Gebet, digital oder Gottesdienste vor Ort mit AHA-L-Regeln feiern. Mancherorts war die Sehnsucht nach Präsenzgottesdiensten so groß, dass Briefe an den Gemeindekirchenrat geschrieben wurden, um diese wieder zu ermöglichen. Andere feierten schon wieder Präsenzgottesdienste. Zumal Kirchengemeinden über genau kontrollierte, gute Hygienekonzepte ver­fügen und Gottesdienste – bis auf ­wenige Ausnahmen im vorwiegend freikirch­lichen Bereich – nicht als Hotspots galten. 

Warum also nicht bei den ­bewährten Abstandsregeln bleiben und in aller Vorsicht drinnen oder draußen Gottesdienste feiern? Dem stünde die Bitte der Bundesregierung, zu Hause zu bleiben und nur virtuelle Gottesdienste zu feiern, entgegen. 

Die nächsten Tage werden Klarheit bringen, auch dar­über, ob EKD und Landeskirchen ­eigene Empfehlungen aussprechen. Die katholischen Bischöfe kündigten laut tagesschau.de bereits an, trotz der ­Beschlüsse zu Ostern nicht auf ­Präsenzgottesdienste verzichten zu wollen. Danach zeigt sich auch die EKD befremdet vom beschlossenen Oster-Lockdown. „Der Beschluss des Corona-Gipfels hat uns sehr überrascht, zumal davon das wichtigste Fest der Christen betroffen wäre“, sagt der EKD-Ratsvorsitzende Heinrich Bedford-Strohm den Zeitungen der „Funke“-Mediengruppe. Die EKD wolle sich genau erläutern lassen, warum die bewährten Hygieneschutz-Maßnahmen nicht mehr ausreichen sollen. Dann wolle sie sich mit ihren Gremien beraten, wie sie mit der Bitte umgeht, so Bedford-Strohm.