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Wie Senioren im Straßenverkehr fit bleiben können

Für zwei Drittel der Verkehrsunfälle tragen junge Autofahrer die Hauptschuld. Dennoch gelten Senioren am Steuer aufgrund nachlassender Fahrtauglichkeit als Gefahr. Wann es brenzlig wird und wie man fit am Steuer bleibt.

Senioren im Straßenverkehr – das Thema erregt mit schöner Regelmäßigkeit die Gemüter. Laut Statistischem Bundesamt ist der Anteil älterer Verkehrsteilnehmer als Unfallverursacher überproportional hoch. So waren über 65-Jährige im vergangenen Jahr in mehr als zwei Drittel der Autounfälle mit Personenschaden, bei denen sie beteiligt waren, auch die Hauptverursacher. Bei den über 75-Jährigen waren es über drei Viertel.

Ältere Menschen machen demnach vor allem häufig Fehler beim Abbiegen, Wenden und Rückwärtsfahren und missachteten die Vorfahrt. Anders als jüngere Fahrende halten sich Senioren dagegen mehr an Geschwindigkeitsvorgaben, achten auf ausreichend Abstand und fahren deutlich seltener unter Alkoholeinfluss.

Dennoch beschleicht manchen ein mulmiges Gefühl, wenn er einen alten, unbeholfen wirkenden Menschen am Steuer sieht. Denn wenn Sinnesleistungen altersbedingt nachlassen, kann darunter auch die Fahrtüchtigkeit leiden.

Trotzdem hängen Senioren meist am Autofahren. Es bedeutet für viele ein Stück Unabhängigkeit und Lebensqualität, wie auch die Deutsche Seniorenliga betont. Vor allem wenn die Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel zu beschwerlich oder zu umständlich sei, fühlten sich viele Senioren auf das Auto angewiesen, heißt es: “Sie fürchten, ohne Auto nicht mehr so mobil sein zu können, ihre Kontakte einschränken zu müssen, von Kindern oder Freunden abhängig zu sein und ihnen zur Last zu fallen.”

Aber wo ist die Grenze zur Fahrtüchtigkeit? Selbst bei Menschen mit Demenz gebe es “keine scharf gezogene Linie, ab wann man kein Auto mehr fahren sollte”, erklärt Laura Mey vom Alzheimertelefon der Deutschen Alzheimer Gesellschaft. Bekannte Wege wie der zum Supermarkt würden zunächst noch gut und sicher gefahren. Zu Beginn der Erkrankung ist Studien zufolge auch “noch in hohem Maß von einer Fahreignung auszugehen”, heißt es in einem Informationsblatt der Selbsthilfeorganisation.

Kritisch wird es laut Mey bei deutlich nachlassender Gedächtnisleistung. “Wenn man das eigene Auto nicht mehr findet oder der Wagen die eine oder andere Delle aufweist, sollte das Autofahren eingestellt werden”, sagt die Expertin. Zugleich fehle es bei den Betroffenen aber oft an Einsicht. Deshalb sollten Angehörige beispielsweise den Hausarzt mit ins Boot holen, rät Mey. Dabei könne es helfen, “den Grund für das Nichtmehrfahrenkönnen nach außen zu verlagern, damit die Person ihr Gesicht wahren kann”. Als Beispiele nennt Mey ein Medikament, das die Fahrtüchtigkeit reduziert: “Dann ist die Tablette schuld”.

Cornelia Brodeßer setzt viel früher an. Mit ihren Schulungen im Auftrag der Deutschen Verkehrswacht möchte sie unter anderem ältere Verkehrsteilnehmer sensibilisieren. So können körperliche Veränderungen die Fahrtauglichkeit beeinflussen. “Der Schulterblick klappt nicht mehr so, Gehör und Augen lassen nach.” Im Straßenverkehr sei aber eine schnelle Auffassungsgabe gefragt. Ein Hörgerät oder eine Brille mit Spezialgläsern gegen Blendempfindlichkeit könnten leicht Abhilfe schaffen.

Schwieriger sei es bei Tabletten. “Der Einfluss von Medikamenten auf das Fahrverhalten wird völlig unterschätzt”, sagt die Referentin. Auch bei Menschen, die abends eine Tablette einnehmen, könnten noch am nächsten Morgen Nebenwirkungen wie verlangsamtes Reaktionsvermögen spürbar sein. Dabei nähmen Menschen gerade mit zunehmendem Alter ohnehin oft zahlreiche Medikamente. Brodeßers Empfehlung: die Medikationsliste in Abstimmung mit dem Hausarzt auf unverzichtbare Medikamente reduzieren.

Früher habe man älteren Menschen generell geraten, schwierige Fahrbedingungen – Regen, Berufsverkehr, neue Strecken – zu meiden. “Weniger fahren heißt: Ich verliere an Fahrkompetenz”, mahnt die Referentin. Deshalb gelte es, beim Autofahren dranzubleiben. Senioren sollten nicht nur vertraute Wege fahren, sondern durchaus – außerhalb von Stoßzeiten und bei guten Straßenverhältnissen – kleine Ausflüge machen.

Um die eigene Fahrtüchtigkeit besser einschätzen zu können, bietet Brodeßer bei ihren Vorträgen auch einen speziellen Test zum Reaktionsvermögen an. Hilfreich sei ebenso der freiwillige Fahr-Fitness-Check des ADAC, bei dem speziell geschulte Fahrlehrer das Fahrverhalten älterer Verkehrsteilnehmer bei einer Fahrt in deren eigenem Auto begutachten.

Zugleich gibt Brodeßer zu bedenken: Auch bei jüngeren Menschen könne das Fahrvermögen medikamentenbedingt eingeschränkt sein. Und auch mit dem fehlenden Wissen über neue Verkehrsregeln und Straßenschilder seien ältere Autofahrer nicht allein. Schon 40-Jährige sollten ihr Wissen im Straßenverkehr regelmäßig auffrischen, findet die Expertin.