Süße Optik, große Wirkung: Sogenannte Cozy Games versprechen ein entspanntes Spielerlebnis ohne Druck. Doch sie sind mehr als eine kurzlebige Auszeit. Was sie für mentales Wohlbefinden leisten können – und was nicht.
Ein Spiel nicht mehr aus der Hand legen zu können, ist für viele ein Genuss. Nicht immer ist eine actiongeladene Geschichte oder ein harter Wettbewerb mit anderen Spielern dafür verantwortlich – manchmal ist es einfach der Wohlfühlfaktor. Ein Aspekt, der bei sogenannten Cozy Games im Vordergrund steht – und der Titeln wie “Animal Crossing” oder “Stardew Valley” große Popularität verschafft hat. Solche Spiele bieten aber nicht nur kurzlebige Auszeiten vom Alltag, sondern auch nachhaltigere Effekte für die mentale Gesundheit.
“Cozy Games können uns emotional erden”, betont Psychologin Jessica Kathmann vom Beratungs- und Podcastangebot “Behind the Screens”. Im Spiel eine Farm mit niedlichen Tieren zu bewirtschaften, ein gemütliches Café zu führen oder eine abgelegene Insel in ein Paradies zu verwandeln, verursache weder viel Stress noch Frustration. Auch besonderes spielerisches Können sei nicht erforderlich. “Solche Spiele beschäftigen, ohne uns zu überfordern oder uns an Grenzen zu bringen”, sagt sie.
Von anderen Genres klar abgrenzen ließen sich Cozy Games aber kaum, erklärt Felix Falk, Geschäftsführer von “game”, dem Verband der deutschen Games-Branche. “Die Grenzen zwischen den Genres sind fließend, wenn es um die positive Wirkung von Spielen auf das Wohlbefinden geht.” Schließlich könnten Spiele unabhängig von ihrem Genre entspannend und entschleunigend auf Spieler wirken. Neben Cozy Games könnten auch Aufbaustrategien, Simulationen oder sogar actionreichere Titel für manche Spieler einen ähnlichen Effekt haben.
“Wir wissen, dass digitale Spiele geeignet sind, um psychologische Grundbedürfnisse zu befriedigen”, sagt Psychologin Kathmann. Gut erforscht in diesem Zusammenhang sei etwa die Selbstbestimmungstheorie, die drei menschliche Grundbedürfnisse verbindet: Autonomie, soziale Eingebundenheit und Kompetenz. All diese Bedürfnisse ließen sich beispielsweise in “Stardew Valley” stillen: Zum einen könnten Spielerinnen und Spieler dort selbst entscheiden, wie und mit welchem Schwerpunkt sie spielten, zum anderen soziale Beziehungen zu Figuren aufbauen. Und wer eine Herausforderung suche, könne auch diese im Spiel finden.
“Wenn diese psychischen Grundbedürfnisse befriedigt sind, dann geht es uns auch mental gut”, sagt Kathmann. Der Effekt sei aber nicht auf Cozy Games beschränkt: “Spiele sind bestenfalls ein Werkzeug von vielen, um die eigene Stimmung zu regulieren.” Nicht nur für den Moment, sondern auch mittelfristig.
Dass Menschen durchaus bewusst zocken, um zu entspannen und Stress abzubauen, bestätigt die 2023 veröffentlichte repräsentative Studie “Power of Play” internationaler Branchenverbände, die Gamerinnen und Gamer aus zwölf Länder, darunter auch Deutschland, befragte. 62 Prozent der deutschen Befragten gaben an, dass Videospiele ihnen geholfen hätten, sich weniger gestresst zu fühlen. 47 Prozent gelang es demnach durch Spiele, sich weniger isoliert und einsam zu fühlen.
Eine effektive Bewältigungsstrategie für konkrete Problem abseits des Bildschirms sind indes weder Cozy Games noch andere Spiele, wie Kathmann betont. “Die Erfahrung im Spiel und das Ritual des Spielens kann uns aber eine gewisse Stabilität und Resilienz verleihen, die wir brauchen, um uns Herausforderung im realen Leben zu stellen.”
Auch wenn digitale Spiele mentale Gesundheit unterstützen können, eines können sie nicht, wie Kathmann sagt: eine Therapie ersetzen. Unterhaltungsspiele seien nicht in der Lage, psychische Erkrankungen zu behandeln.
Darüber hinaus gebe es aber Spiele, die speziell für Menschen mit psychischen Problemen konzipiert und eingesetzt werden. Etwa “Sparx”, das Jugendlichen mit Depressionen zeigt, wie Gedanken und Gefühle zusammenhängen oder sie Gedankenspiralen durchbrechen können. “Bei solchen Spielen hat sich gezeigt, dass sie ähnlich gut wirken wie eine Psychotherapie”, erklärt Kathmann.
Den Nutzen digitaler Spiele für Therapie- und Gesundheitszwecke unterstreicht auch der Branchenverband “game”. Generell nehme das gesellschaftliche Bewusstsein für Themen mentaler Gesundheit zu, sagt Geschäftsführer Falk. Er ist sich sicher: “Games für die mentale Gesundheit werden auch in Zukunft eine wichtige Rolle spielen.”