„Ich weiß auch noch nicht, wie das wird“, sagt Sonja Ramsbrock lachend. Die Leiterin des Posaunenchors Sudbrack in Bielefeld wartet in der Kirche der Dietrich-Bonhoeffer-Gemeinde. Ihre Jungbläser, unterstützt von einigen Erwachsenen, sind inzwischen eingetroffen. Jetzt fehlt nur noch der Bus mit den Argentiniern.
Das Jugendorchester „ASE Música“ tourt zwei Wochen lang durch Westfalen. An diesem Nachmittag ist eine Begegnung mit den Bläsern aus Bielefeld vorgesehen. Es geht um das gemeinsame Musizieren; vor allem aber auch um die Begegnung mit Gleichaltrigen aus einem anderen Kulturkreis.
Als das Orchester dann eintrifft, bricht Betriebsamkeit aus: Notenständer aufstellen, Instrumente auspacken, Stühle zurechtrücken. Anweisungen auf Spanisch und Deutsch schwirren durch den Raum. Schließlich ordnet sich alles. Die Jugendlichen aus Buenos Aires, leicht zu erkennen an ihren roten Pullis, sitzen vorn; dahinter die Reihe der Bielefelder Bläser.
Nach einer kurzen Begrüßung in zwei Sprachen ist es der argentinische Dirigent Emilio Pagano, der zuerst zum Taktstock greift. Zwei Stücke in schwungvollen lateinamerikanischen Rhythmen spielen die Argentinier. Die Deutschen antworten mit einem Segenslied und „Hevenu shalom alechem“. Dann wird es spannend. „Experiment“, ruft Sonja Ramsbrock – das verstehen alle ohne Übersetzung. Das nächste Stück spielen die geübteren Bläser vom Blatt gemeinsam mit den Argentiniern. Und es klingt gar nicht schlecht.
Das Orchester „ASE Música“ ist etwas Besonderes. Es geht aus der sozialen Arbeit des diakonischen Zentrums ASE der Kirche am Rio de la Plata hervor. Pfarrer Sabino Ayala hatte die Idee, dort Kindern aus benachteiligten Familien Musikunterricht anzubieten – kostenlos. So lernte etwa Hilen das Cello kennen. Für die 19-Jährige ist die Reise nach Westfalen das erste Mal, dass sie ihr Land verlässt. Noch ist alles ganz neu, aber: „Sehr schön“ findet sie Deutschland. Inzwischen studiert die junge Frau mit Hilfe eines Stipendiums Medizin. Das kostet viel Zeit und Energie – aber aufs Musizieren will sie nicht verzichten. Nach wie vor geht sie zweimal in der Woche ins ASE.
Mauro möchte Musik sogar zu seinem Beruf machen. Auch er hat sein Instrument, die Gitarre, im ASE entdeckt und bekommt bis heute dort Unterricht. Zu seinem 18. Geburtstag hat er sich gewünscht, nur noch Musik machen zu dürfen. Seine Eltern unterstützen ihn, ab und zu verdient er sich etwas nebenher. Was er aus Deutschland mitnehmen möchte? „Am liebsten eine Gitarre“, sagt er und lacht.
Inzwischen sind die deutschen und argentinischen Jugendlichen in der Kirche beim Begegnungsteil angekommen. Ein Film informiert über die Lebensbedingungen der argentinischen Gäste. „Nie hätte ich gedacht, dass ich sowas machen könnte“, sagt da einer der Jungen, der im Orchester Geige spielt. Andere erzählen davon, wie das Musizieren sie selbst und ihre Familien verändert hat. „Meine Mutter ermutigt mich jetzt“, sagt Mauro in dem Film. „Das mag ich.“
Für die deutschen Jugendlichen wird durch den Film und die nachfolgende Fragerunde deutlich, wie verschieden die Voraussetzungen für ihre gleichaltrigen Gäste sind. Instrumente, Noten – all das ist in dem Problemviertel in Buenos Aires keine Selbstverständlichkeit. Einige der Orchestermitglieder können gar keine Noten lesen, sondern spielen nach Gehör und Augenmaß. Und: Musizieren bedeutet für sie Stolz und Selbstvertrauen. Auch das beeindruckt die Deutschen.
Die Verabschiedung ist herzlich, mit Küssen links und rechts auf lateinamerikanische Art. Bevor die Argentinier abends noch ein Konzert geben, wird mit Jugendlichen aus der Gemeinde gekocht. „Das war eine gelungene Begegnung“, sagt Posaunenchorleiterin Sonja Ramsbrock. „Es ist mal wieder klargeworden, dass Musik keine Grenzen kennt. Auch wenn nicht jede Note passt.“ leg
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Wenn Musik stolz macht
Während ihrer Deutschland-Tournee treffen junge argentinische Musiker auf deutsche. Das gemeinsame Musizieren macht Begegnungen möglich

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