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Wenn das Wasser versiegt

Der Weltwassertag findet seit 1993 jedes Jahr am 22. März statt. Wasser ist wertvoll, kostbar und knapp. In Südafrika steht der „Tag Null“ kurz bevor, an dem alle Wasserhähne versiegen. Was das bedeutet, kommentiert Pfarrer Otto Kohlstock aus Kapstadt. Er leitet ein sozialdiakonisches Zentrum, das sich in Philippi um die Ärmsten der Armen kümmert.

Der Weltwassertag findet seit 1993 jedes Jahr am 22. März statt. Wasser ist wertvoll, kostbar und knapp. In Südafrika steht der „Tag Null“ kurz bevor, an dem alle Wasserhähne versiegen. Was das bedeutet, kommentiert Pfarrer Otto Kohlstock aus Kapstadt. Er leitetdas sozialdiakonische Zentrum iThemba Labantu – „Hoffnung für Menschen“.

Helen Zille, Premierministerin der West-Kap-Provinz, präsentiert stolz ihre ungewaschenen Haare. „Ich dusche nicht mehr jeden Tag“, sagt die deutschstämmige 67-Jährige, „und wenn, dann stehe ich dabei in einer Schüssel und fange das Duschwasser auf, um damit die Pflanzen in meinem Garten zu gießen.“

Das tun mittlerweile die meisten Kapstädter, doch die Gärten in den Vorstädten gleichen trotzdem einer wüstenartigen Landschaft. Seit Jahren kann man in Kapstadt die Auswirkungen des Klimawandels deutlich spüren, da die so typischen regen- und sturmreichen Winter schon lange ausbleiben. Meteorologen sprechen von der größten Trockenperiode seit 100 Jahren. Der Staat hat das Westkap zum Kata – strophengebiet erklärt.

Seit Monaten wird die Bevölkerung aufgerufen, drastisch Wasser zu sparen. Auf diese Weise könnte der „Tag Null“ (Day Zero), an dem alle Wasserhähne versiegen, vermieden werden. War die Richtzahl für den täglichen Wasserverbrauch bis Ende des letzten Jahres noch 87 Liter pro Person, so dürfen seit Januar nur noch höchstens 50 Liter verbraucht werden. Wassersündern wird nach Überschreiten der zugelassenen Literzahl – bis auf einen winzigen Strahl – der Hahn abdreht. So konnte der tägliche Wasserverbrauch der Stadt auf 450 Millionen Liter halbiert werden.

Die Furcht vor besagtem Tag Null ist jedoch groß! Wenn er eintrifft, müssen sich alle Einwohner an einer der dafür zu errichtenden 200 Wasserstellen anstellen, um 25 Liter Wasser pro Person pro Tag zu erhalten. Polizei und Militär werden einsatzbereit sein, um die öffentliche Ordnung aufrecht zu erhalten. Die Bevölkerung wird immer wieder belehrt, wie man mit 25 Litern auskommen könne. Dixitoiletten würden – wenn man Glück hat – in Reichweite stehen, denn an Toilettenspülen wird nichtmehr zu denken sein. In den Geschäften kam es bereits zu Handgreiflichkeiten, weil die Vorräte an Wasserflaschen schnell ausverkauft waren.

Nun ist der „Tag Null“ von Mitte März auf den 9. Juli 2018 verschoben worden, was zu einem allgemeinen Aufatmen geführt hat. Falls es einen regenreichen Winter geben sollte und die Bevölkerung weiter Wasser spart, würde er sogar erst im folgenden Jahr eintreffen.

Die meisten Menschen folgen dem Vorbild der Landesmutter: Kostbares Trinkwasser wird nicht mehr zum Toilettenspülen benutzt; dafür wird Dusch- und Waschwasser aufgefangen. Wenn duschen, dann nur ganz kurz; zum Einseifen wird das Wasser abgedreht. In den öffentlichen Toiletten und in denen der meisten Restaurants und des Flughafens gibt es, wenn überhaupt, nur noch einen funktionierenden Wasserhahn, dafür aber Handdesinfektionsmittel. Hersteller von großen Wassertanks zum Auffangen von Regenwasser haben Hochkonjunktur. Die Reichen lassen sich Brunnen bohren, die allerdings genehmigungspflichtig sind, da sie zum weiteren Absinken des Grundwassers führen.

Die Stadtverwaltung von Kapstadt will durch mehrere kleine Meerwasserentsalzungsanlagen, Abwasseraufbereitung und Entnahme von Grundwasser dazu beitragen, den gefürchteten „Tag Null“ immer weiter hinauszuschieben.

Doch für die Menschen in den Armensiedlungen ist dieser schon immer tägliche Realität, müssen sie sich doch zu Hunderten einen Wasserhahn teilen. In einigen Gegenden gibt es an manchen Tagen überhaupt kein Wasser oder nur zu früher Morgenstunde und spät am Abend, was zu langen Wartezeiten führt.

Die allgemeingültige Aussage, dass die Industrienationen des Nordens verantwortlich sind für die Auswirkungen der klimatischen Veränderungen des Südens, muss im Fall Südafrikas relativiert werden. Südafrika ist sechstgrößter Kohleproduzent der Erde und gewinnt 90 Prozent des Stromes aus Kohlekraftwerken. Der CO2-Ausstoß der Republik ist größer als der aller 54 Länder des Kontinents zusammen. Der außerordentlich hohe Fleischkonsum (3 Millionen Rinder pro Jahr) ist aufgrund des Methanausstoßes der Tiere ein weiterer umweltbelastender Faktor. Zur Herstellung von 1 Kilogramm Rindfleisch werden 15 500 Liter Wasser benötigt. Die 12 Millionen Autos ohne regelmäßige TÜV-Untersuchungen tragen ebenfalls einen hohen Teil zur Schadstoffbelastung der Atmosphäre bei.

Auch hier im südlichsten Land Afrikas würde die Maxime: Erneuerbare Energien, weniger (kein) Fleisch und weniger Autofahren einen großen Beitrag zur Rettung unserer Erde leisten!