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Wein auf Amrum? – Rheingauer Traditionswinzer macht’s möglich

Michael Trenz macht bunte Sachen. Zunächst mal einen sehr guten Wein, den er in einer Freiluft-Lounge im eigenen Weinberg präsentiert. Aber er kickt auch im Winzer-Nationalteam – und war schon bei Kanzlerin und Papst.

Es klingt wie die weitsichtige Vision eines über 350 Jahre alten Familienunternehmens: Michael Trenz, Winzer in neunter Generation an einer der besten Lagen im Rheingau, baut jetzt auch Wein auf der Nordsee-Insel Amrum an. Eine Anpassung an den Klimawandel? Eine Abwanderung in den kühleren Norden? Neinnein. Trenz winkt ab und rückt seine Sonnenbrille zurecht: Sein Amrumer Wein sei vor allem ein schönes Projekt; ein Projekt aus Liebe.

“Der Rheingau ist eines der nördlichsten Anbaugebiete der Welt”, sagt er. “Hier wird es noch sehr lange guten Wein geben.” Zur Not müsse man eben in kommenden Jahrzehnten bei den Rebsorten umstellen. – Warum also Amrum? Ein glücklicher Umstand – und ein bisschen auch “die Schuld” von Trenz’ Ehefrau Susanne, die schon immer in die Insel verliebt war.

Bei einem – selbstgemachten – Glas Riesling in der trenzigen Freiluft-Lounge im eigenen Weinberg mit Blick auf den Rhein erzählt der 52-Jährige, er habe den seit 1670 bestehenden Betrieb schon früh, 1994, von seinem kranken Vater übernehmen müssen. Da war’s dann vorbei mit all den Reiseplänen, die junge Leute so haben. “So bin ich bald ein Fan von mehr oder weniger spontanen Projekten geworden”, sagt Trenz – auch um nicht irgendwann in heimischen Routinen zu versinken.

In Südafrika und Portugal baut er mittlerweile ebenfalls Wein an – über Bekannte und bald Freunde, die er zum Teil im Rheingau selbst in der Winzerkunst ausgebildet hat. So lief es auch auf der Nordseeinsel: Colin Brennan, ein junger, irischstämmiger gebürtiger Amrumer, hatte einst in Geisenheim “Getränketechnologie” studiert und bei Trenz gelernt. Zu diesem Kontakt, zu Susannes Amrum-Liebe und angeborener Begeisterungsfähigkeit kam noch ein weiteres passendes Puzzlestück: Für ein Stück Pachtland im Rheingau, das Bauland geworden war, besaß Trenz noch Pflanzrechte für einen halben Hektar – gültig theoretisch überall in der EU.

Der nächste Schritt war die Auswahl des Geländes – salzige Luft und “Schietwetter” als Stichwörter für die Entscheidungsfindung. Gesucht wurde ein Hügel beziehungsweise eine Ausrichtung, die einerseits stramme Winde übersteht, andererseits aber dem Westwind erlaubt, die Reben nach dem durchaus häufigen Regen zu trocknen. Bei der Rebsorte fiel die Wahl auf die “Muscaris”-Traube: aromatisch, robust, resistent gegen Kälte, Reblaus und Pilze – und das ohne Pflanzenschutzmittel.

Im Mai 2021 wurden 2.500 Weinreben in die sandige Erde gesetzt. Ab da hatten die Wurzeln stark zu tun: Sie mussten sich zunächst durch eine rund 40 Zentimeter dicke Sandschicht kämpfen. Denn erst darunter kommen die Sedimente des Wattenmeeres, in denen die Reben die guten Nährstoffe, Muschelkalk und Mineralien finden. Außerdem versickert der Regen in dem sandigen Boden sehr schnell.

Im vergangenen Jahr dann, im September 2024, kam der große Tag: die erste Lese. Rund 60 emsige Erntehelfer hatten Colin Brennan und der Verpächter Oke Martinen auf der Insel zusammengetrommelt. Für die Familie Trenz wurde es “ein Gänsehaut-Tag”, wie Winzer Michael erzählt. So viele freudige Gesichter, ja Rührung: der erste Wein von Amrum! Bis unters Dach voll mit Trauben fuhr der Lieferwagen zurück in den Rheingau – zur Presse und Lagerung.

1.100 Liter Wein konnte Trenz im ersten Jahr auf 1.600 Flaschen ziehen. Mit immer tieferen Wurzeln soll der Ertrag künftig bis auf 3.000 Liter steigen. Der durchaus passende Name: “Waastwinj”, friesisch für Westwind. Der erste Jahrgang, der leicht und doch aromatisch ausgefallen ist – Trenz spricht sogar von einer leicht salzigen Note – ist so gut wie ausgetrunken.

Nur einige Restaurants vor Ort haben noch ein paar wenige Flaschen des “Winzers von Amrum”, als der er inzwischen bekannt ist. Michael und Susanne Trenz sind glücklich und zufrieden. Sie haben dort “viele gute Freunde gewonnen”. So ist nicht nur Wein auf Amrum gewachsen – sondern auch die Liebe der Winzer zu der Nordseeinsel. Und in der Wein-Szene nannte man ihn zuletzt einen “Trenzetter”.

Und noch so ein Trenz-Projekt: Nicht nur die Reisen der Jugend; auch eine mögliche Fußballer-Karriere, angebahnt in den 80ern bei der SG Hoechst, ging damals mit der Erkrankung des Vaters in die Binsen. Doch begeisterter Kicker ist Michael Trenz geblieben. Seit Jahrzehnten spielt er in der “Weinelf”, die sich als die deutsche Fußball-Nationalmannschaft der Winzer versteht. Mittlerweile auch sein Sohn Konstantin.

Trainer der “Weinelf” ist seit 2012 die 1.FC-Köln-Legende Erich Rutemöller (80). Übrigens: Natürlich gibt es auch die “Weinelfen”, die weibliche Vertretung… Selbsterklärtes Ziel der “Weinelf” sind Kontaktpflege über Sport- und Kulturveranstaltungen mit den Kollegen der Weinwirtschaft anderer Länder sowie mit anderen Bevölkerungs- und Interessengruppen. So gab es im Mai 2017 einen 2:1-Sieg gegen eine Auswahl des Deutschen Bundestages sowie eine Begegnung mit der damaligen Bundeskanzlerin Angela Merkel.

Danach konnte eigentlich nichts mehr kommen – oder? Oh doch. Im Juni 2019 reisten Trenz & Co nach Rom. Ein 1:1 gegen das Nationalteam des Vatikans wurde gekrönt von einem veritablen Handshake mit Papst Franziskus. Ein sehr eindrücklicher Moment, an den sich Michael Trenz gern erinnert. “Kick and pour”, kicken und einschenken, so hält sich Trenz in seinem schon langen Arbeitsleben fit. Es scheint ihm gut zu bekommen – und es wäre nicht wirklich verwunderlich, wenn eine der nächsten Partien der “Weinelf” gegen eine Inselmannschaft ginge. Vielleicht den TSV Amrum?