Predigttext
9 Ich, Johannes, euer Bruder und Mitgenosse an der Bedrängnis und am Reich und an der Geduld in Jesus, war auf der Insel, die Patmos heißt, um des Wortes Gottes und des Zeugnisses Jesu willen. 10 Ich wurde vom Geist ergriffen am Tag des Herrn und hörte hinter mir eine große Stimme wie von einer Posaune, 11 die sprach: Was du siehst, das schreibe in ein Buch (…) 12 Und ich wandte mich um, zu sehen nach der Stimme, die mit mir redete. Und als ich mich umwandte, sah ich sieben goldene Leuchter 13 und mitten unter den Leuchtern einen, der war einem Menschensohn gleich, der war angetan mit einem langen Gewand und gegürtet um die Brust mit einem goldenen Gürtel. (…) 16 und er hatte sieben Sterne in seiner rechten Hand, und aus seinem Munde ging ein scharfes, zweischneidiges Schwert, und sein Angesicht leuchtete, wie die Sonne scheint in ihrer Macht. 17 Und als ich ihn sah, fiel ich zu seinen Füßen wie tot; und er legte seine rechte Hand auf mich und sprach: Fürchte dich nicht! Ich bin der Erste und der Letzte 18 und der Lebendige. Ich war tot, und siehe, ich bin lebendig von Ewigkeit zu Ewigkeit und habe die Schlüssel des Todes und der Hölle.
Der Himmel ist schwarz. Bedrohlich pfeift der Wind. Holzteile fliegen durch die Luft. Man sieht eine alte Holzkirche, daneben einen Mann. Jeans, Kapuzenpulli, darunter lange schwarze Haare. Gelassen steht er da, er ist die Ruhe selbst – als bemerke er gar nicht, dass um ihn ein Tornado wütet.
So zeichnet die neue Netflix-Serie „Messiah“ den Mann, der sich selbst nur Milah (hebräisch: „das Wort“) nennt. „Wie wäre es, wenn der Messias heute zurückkäme?“, fragt die Serie. Ein Handyvideo von dem „Wundermann“ im Sturm verbreitet sich dank sozialer Medien in Sekundenschnelle über den ganzen Globus. Sinnsuchende und auf Heilung Hoffende machen sich auf den Weg, um ihn zu sehen, zu hören, zu berühren. Aber auch die Geheimdienste verschiedener Länder folgen ihm auf Schritt und Tritt. Denn der junge Mann aus dem Nahen Osten wird schon bald als Bedrohung der weltweiten Ordnung und Sicherheit gesehen.
Was wäre, wenn Jesus heute zurückkäme? Wie würde er auftreten? Was würde er sagen angesichts einer Welt, in der Ungleichheit und Willkür herrschen? Angesichts einer Welt der guten Vorsätze, der Klimagipfel, der Hilflosigkeit? Angesichts einer Welt voller Antriebslosigkeit, Vorurteilen und Angst? Was würde er sagen zu dieser Welt?
Dass Jesus zurückkommen wird und zwar bald, darüber ist sich Johannes, der Autor der Offenbarung, sicher. Er hat eine Vision. Eine Vision von der Wende der Zeiten. Von dem letzten Aufbäumen der Welt in Naturkatastrophen, Kriegen und Krankheiten. Von dem Beginn der neuen Zeit. Einer Zeit, in der die Menschen in Frieden miteinander leben werden, Gott mitten unter ihnen. Am Anfang dieser Vision steht die Beschreibung seiner persönlichen Begegnung mit dem Auferstandenen in Offenbarung 1, 9-18.
Aber das Jesusbild, das er hier zeichnet, hat so gar nichts mit dem sympathischen Sandalenträger der Evangelien zu tun. Majestätisch steht er da, einschüchternd. Mit Augen wie Feuerflammen, schneeweißem Haar, einer Stimme so mächtig wie Wasserrauschen. Bei seinem Anblick kann man nur ehrfürchtig zu Boden fallen. Johannes beschreibt seine Jesusbegegnung in Anlehnung an die Götterstatuen seines römisch-hellenistisch geprägten Umfelds. Seinen Lesern möchte er damit sagen: Dieser Jesus strahlt genauso viel Macht und Würde aus wie die römischen Gottheiten. Aber er hat den kalten, metallenen Statuen etwas voraus: Er ist lebendig.
In Johannes‘ Darstellung fällt ein Bild besonders auf: Aus Jesu Mund ragt ein scharfes, zweischneidiges Schwert. Was für ein verstörendes Bild! Schwert – das klingt nach Mittelalter, rollenden Köpfen, Verwüstung. Ein scharfes Schwert verkündet Unheil, es blitzt bedrohlich auf. Aber Johannes‘ Jesus trägt sein Schwert nicht in der Hand. Es geht aus seinem Mund hervor. Es ist nicht der erhobene Schwertarm eines Weltenrichters, der hier Furcht einflößen soll. Sondern die Worte, die aus seinem Mund strömen. Was für Worte mögen das sein?
Wenn man in Offenbarung 2 weiterliest, begegnen einem klare Worte, scharfe Worte, die verurteilen, kritisieren und hinterfragen. Aber das erste, was aus Jesu Mund kommt, ist etwas anderes: „Fürchte dich nicht! Ich bin der Erste und der Letzte und der Lebendige.“
Wenn Jesus heute wiederkäme, was würde er sagen zu dieser Welt der Widersprüche? Was würde er sagen zu jedem Einzelnen von uns in dieser Welt? Zweischneidige Worte? Kritische Worte? Scharfe Worte? Vielleicht. Vielleicht aber auch das: „Fürchte dich nicht! Denn ich bin da, vom Anfang bis zum Ende, in mir ist alles Leben geborgen.“ Amen.