Greifswald. Am Ende der Warteschlange macht sich Unruhe breit. Wie bitte, die Bläsermusik um 17 Uhr ist schon ausverkauft, nur für 15 und 19 Uhr gibt es noch Karten? „Das kann doch nicht sein“, sagt eine ältere Dame empört. Vor ihr in der Reihe seufzt die 52-jährige Kerstin Tews: „Was mache ich denn jetzt?“ Extra eine Stunde früher als sonst sei sie zur Arbeit gegangen, um an diesem Montag ab 9 Uhr vor der Greifswalder Dombuchhandlung zu stehen: Dann, wenn der Kartenverkauf für die 42. Weihnachtliche Bläsermusik im Kerzenschein beginnt. „Diese Bläsermusik ist für mich die Einstimmung auf Weihnachten, schon seit über 30 Jahren“, erzählt Kerstin Tews.
Vor 42 Jahren hatte der inzwischen verstorbene Kirchenmusikdirektor Hans-Peter Günther das Konzept erdacht: Kerzenlicht erhellt die Marienkirche, rund 200 Bläser aus der Region spielen kirchliche und weltliche Advents- und Weihnachtslieder, jeder Besucher darf mitsingen, zwischendrin gibt’s eine Ansprache von Pastoren. Ein Konzept, das immer besser aufgeht. Vor der Dombuchhandlung spielen sich an diesem Morgen ähnliche Szenen ab wie inzwischen jedes Jahr im Advent: Weit mehr Menschen wollen Karten kaufen, als es Plätze gibt. Dabei werden längst drei Konzerte in Reihe gespielt, jedes einzelne mit 1300 bis 1500 Besuchern, in diesem Jahr am Sonnabend, 16. Dezember.
Leiter des Posaunenwerks hilft beim Verkauf
„Verrückt, schon eineinhalb Wochen, bevor bei uns der Verkauf beginnt, rufen Leute an und fragen, ob wir ihnen Karten zurücklegen,“ erzählt Dombuchhändler Uwe Bartsch. Am Tag selbst stünden die ersten um 8 Uhr vor der Tür, obwohl der Laden offiziell erst um 9 Uhr öffnet. Irgendwie ja toll, aber die Buchhandlung hat nichts davon, sagt Bartsch. Im Gegenteil: „Spätestens nach drei Stunden sind alle Karten weg, dann kriegen wir den Unmut der Leute ab!“ Manche reagierten ungehalten.
Immerhin, diesmal ist etwas anders als sonst: Martin Huss, Leiter des Posaunenwerks Mecklenburg-Vorpommern und Leiter der Bläsermusik, hat sich in einer Ecke der Buchhandlung postiert, um persönlich beim Verkauf der Karten zu helfen. Mit Lutherbonbons und Sprüchen auf den Lippen lockert er die Lage auf. Zehn Karten für 17 Uhr wolle sie haben, sagt eine Dame gerade. „Neeeein!“, ruft Huss gespielt entsetzt. „Sie wollten acht, oder?“ – „Nein, zehn!“ – „Sechs haben Sie gesagt?“
Wenig später ruft Huss dann mit lauter Stimme in den Raum, die 17-Uhr-Musik sei ausverkauft, alle Interessenten sollten sich bitte umorientieren. „Das war knapp“, sagt Ingo Möller, ein kräftiger Typ mit kahlrasiertem Schädel.